Die 11jährige Emma und ihr kleiner Bruder Luke besuchen zwei verschiedene Schulen. Emma ist schon in der 6. Klasse, Luke noch in der 3. Klasse auf der Grundschule. Beide sind klug, ehrgeizig und gut erzogen. Ihre Noten sind meisten völlig okay, sie machen regelmäßig ihre Hausaufgaben und Emma bekommt Nachhilfe in Mathe. Seitdem läuft es da auch.
Die Familie hat ein gutes Auskommen
Ihre Eltern arbeiten diszipliniert, denn die Familie muss ein schönes Reihenhaus am Stadtrand abbezahlen. Noch circa 20 Jahre, eine lange Zeit. Emma und Luke haben keine Ahnung von Krediten, Finanzierungsmodellen, Rentenplanung oder Versicherungen – ihr Garten, das Haus und die beiden Kinderzimmer sind selbstverständlich für sie. Aber sie spüren auch, wie existenziell das Arbeiten und die Jobs für ihre Eltern sind. Auch sie wollen mal Geld verdienen und sich im Beruf verwirklichen. Sagen sie. Haben sie bereits verinnerlicht. Aber Achtung, hier lauert die Gefahr.
Auch versteckter Lebensstress macht krank
Rund ¼ aller Kinder und Jugendlichen sind heute psychisch angeschlagen oder erkrankt. Das ist jedes 4. Kind!!! Auch oder gerade solche Vorzeigekinder wie Luke und Emma, die einen auf ein Studium zusteuern und zu den Gutverdienern zählen werden. Voraussichtlich. Wenn sie nicht erkranken.
Die organisierte Lebensplanung, die gute Ganztagsschule in einem besseren Viertel, die zielgenau ausgesuchten Sprach- und Code-Kurse, die an den Lerninhalten orientierten Ferienziele, regelmäßiges Familienmanagement und gemeinnützige Arbeit haben auch eine Schattenseite.
Beim Rumgammeln (k)ein schlechtes Gewissen
Mal rumgammeln, Löcher in die Luft zu starren, sich zu langweilen, einen Wandertag zu schwänzen (wirklich nur einen!), sich mit einer schlechten Note zufriedenzugeben, keine Idee für den späteren Job zu haben und morgens zu lange mit Mama und Papa kuscheln… Das brauchen Kinder auch.
In den Ferien oder am Wochenende spontan einen Ausflug machen und unvorbereitet in den Regen kommen, aus Resten was gemeinsam kochen, bei Oma einen Überraschungsbesuch machen, zusammen das Kinderzimmer streichen oder mal einen ganzen Nachmittag auf der Wiese im Garten gemeinsam Brettspiele spielen.
Bei solchen gemeinsamen, ungeplanten und vielleicht sogar etwas verrückten Unternehmungen leben Kinderseelen auf. Da entstehen lebenslange Erinnerungen an tolle Abenteuer. „Weißt du noch, wie es mitten im Wald beim Pilze suchen plötzlich zu schneien angefangen hat?“ „Wie wir an Ostern vergessen haben, dass die Geschäfte geschlossen sind? Da gab es nur Nudeln mit Butter!“
Viele Kinderseelen kommen zu kurz
Eines ist doch klar, das Leben lässt sich nicht planen. Luke soll Onkologe werden, aber der Krebs ist in 10 Jahren vielleicht besiegt. Emma will Autos entwickeln, aber auch diese Technik wird sich so verändern, dass es ihr vielleicht gar keinen Spaß mehr macht. Carpe diem! Genieße den Tag! Es kommen neue und spannende Herausforderungen. Wenn Kinder und Jugendliche keine Energie mehr dafür aufbringen, macht der ganze Lebensstress keinen Sinn.
Ziele ja, aber bitte nicht um jeden Preis
Liebe Eltern, entspannt euch und eure Kinder. Wir leben in einem reichen Land, niemand wird verhungern. Aber wir brauchen kreative und kluge Köpfe, um anstehende Probleme flexibel zu lösen. Wer als Kind gelernt hat, dass eine unerwartete Wendung keine Katastrophe ist, traut sich auch als Erwachsener Lösungen zu. Und Lösungen – die können wir wirklich alle gut gebrauchen. Kinder wissen, dass auch Nudeln mit Butter herrlich schmecken können.