Die Corona-Warn-App kommt nicht gut an

Sie ist nun online und für jeden verfügbar, endlich. Die Corona-Warn-App soll uns vor einer zweiten Welle und neuen, hohen Infektionszahlen schützen. Aber zumindest bei den Jugendlichen, deren Motivation auf Null gesunken ist, scheint die Idee nicht anzukommen. Die „handy-affine“ Community findet die Idee nicht gut, ist nicht überzeugt, macht nicht mit.

Ernüchternde Umfrage

Nach einer Umfrage auf meinem YouTube Kanal lehnen circa 70 % die App ab und werden sie nicht installieren. Von 14.000 Abonnenten (vermutlich meistens Jugendliche) haben inzwischen nur 110 überhaupt bei der Umfrage mitgemacht – auch hier zeigt sich das geringe Interesse.

So voten die YouTube Besucher Kanal lernfoerderung nach ein paar Stunden

Gründe gegen die Nutzung

  • Ohne aktiviertes Bluetooth funktioniert die App nicht, Bluetooth kostet Energie.
  • Die Standort-Aktivierung muss nicht aktiviert werden, wird aber abgefragt. So denken viele, sie bräuchten sie und lehnen das ab.
  • Vom Nutzen ist kaum noch jemand überzeugt, jetzt wo die Infektionszahlen so stark gesunken sind.
  • Nicht jeder hat ein modernes Smartphone, um die App überhaupt nutzen zu können.
  • Wer über einen Kontakt mit einem Infizierten informiert wird, kann das einfach ignorieren.
  • Noch eine App auf dem Handy ist vielen zu unübersichtlich.
  • Bei der ersten Warnung wird vielleicht noch reagiert, aber beim 2. oder 3. mal?
  • Die App kann nicht unterscheiden, ob es einen echten Kontakt gab oder ob eine Glasscheibe zwischen den Personen ist. Falsch-Warnungen sind daher wahrscheinlich.

Wie funktioniert die App eigentlich

Natürlich habe ich sie sofort installiert und ausprobiert. Zunächst einmal werden wenig Daten abgefragt, im Prinzip überhaupt keine, trotzdem muss man sich durch Erklärungen klicken. Man muss weder seinen Namen noch seinen Wohnort, sein Alter oder sein Geschlecht eingeben. Auch die Adresse entfällt natürlich, denn der Ort ist für das Funktionieren der App nicht notwendig. Warum die Ortung dann trotzdem aktiviert werden kann, ist rätselhaft. Bluetooth wird aktiviert und dann kann es auch schon losgehen.

Tracing statt Tracking

Die Corona-Warn-App schaut sich im übertragenen Sinne aufmerksam um und sucht nach „Geschwistern“. Findet sie eine weitere Corona-Warn-App, speichert sie deren Daten für zwei Wochen. So verfährt sie mit allen gleich gesinnten Apps, die ihr den Tag über begegnen. Alle Kontakte werden registriert und zunächst einmal gespeichert. Bei Bedarf werden die mit Ziffern verschlüsselten Daten dann abgerufen und alle Kontakte informiert – mit Handlungsempfehlung.

Infizierte müssen aktiv werden

Wer mit Corona infiziert ist bekommt von seinem Arzt einen QR-Code oder eine Tan-Nummer und trägt diese in seiner App ein. Erst dann kann die App Warnungen aussenden. Sie überprüft, mit wem in den letzten zwei Wochen Kontakt über einen gewissen Zeitraum bestanden hat und informiert all diese Personen. Die dürfen nun reagieren, am besten gehen sie für eine Woche in Quarantäne. So die Empfehlung. Ob das aber wirklich passiert, kontrolliert niemand.

Corona-Warn-App
Smartphone ja – Corona-App nein?

Macht so eine App wirklich Sinn?

Mir erscheinen die vielen Parameter, die notwendig sind, um wirklich eine Prävention zu erreichen, für zu komplex und zu kompliziert. Schon mir fallen lauter Gründe ein, warum ich die App nicht aktivieren möchte. Sowohl Bluetooth als auch den eigenen Standort deaktiviere ich eigentlich immer, denn es greifen ja verschiedene Apps darauf zu, nicht nur die neue Corona-App. Das lässt sich nicht vermeiden. Und ich möchte nicht plötzlich lauter Einkaufstipps bekommen, weil mein Handy verschiedenen Anbietern automatisch mitteilt, ob ich mich in der Nähe ihres Geschäftes befinde. Auch wenn es sich hier um eine freiwillige Option handelt und ich sie ausschalten kann, aber wie leicht vergesse ich das.

Wie würde ich selber reagieren?

Bekäme ich jetzt also eine Nachricht, dass ich in den letzten zwei Wochen Kontakt mit einer von Covid-19 betroffenen Person hatte, müsste ich reagieren. Aber wie? Solange ich mich fit und munter fühle würde ich wahrscheinlich nicht einsehen, mich zu entschuldigen und für eine Woche in häusliche Quarantäne zu begeben. Schließlich müsste ich alle Termine und Treffen, privat und beruflich, absagen und mir ein ärztliches Attest besorgen. Das würde im Einzelfall bedeuten – obwohl ich mich gesund fühle, müsste ich

  • umgehend ein Arzttermin ausmachen und mich krankschreiben lassen,
  • meine Kolleginnen und Kollegen darüber informieren, dass ich jetzt eine Woche ausfalle,
  • Abstand von meiner Familie halten, weil ich ja möglicherweise infektiös bin,
  • oder den Friseurtermin, den Sportkurs, die Yogastunde, das Treffen mit Freunden und den Kurzurlaub absagen.

Und wenn es dann falscher Alarm war, bin ich für die Zukunft noch skeptischer. Das Ganze aus der Sicht von Jugendlichen? Ohne ersichtlichen Leidensdruck

  • nicht in die Schule gehen
  • keine Freunde mehr treffen
  • an keiner Freizeitaktivität mehr teilnehmen

Die meisten Jugendlichen sind schon vor Wochen zum normalen Alltag übergegangen. Sie umarmen und treffen sich, gehen tanzen, demonstrieren, Sport machen…Und den allermeisten ist gar nichts passiert. Und jetzt sollen sie sich auf die App verlassen? Träumt weiter!

Das klingt nicht realistisch

Obwohl ich von der Gefahr der Pandemie durchaus überzeugt bin und umsichtiges und vorsichtiges Verhalten sehr wichtig finde, bin ich der App gegenüber skeptisch. Ein Großteil meines Freundeskreises ist von der Dringlichkeit sowieso nicht besonders überzeugt. Sie werden diese App weder installieren noch nutzen. Die großartige Reaktion Deutschlands auf die Pandemie und die damit verbundene geringe Fallzahl hat leider auch dazu geführt, dass manche Leute das Problem nicht ernst nehmen. Das tue ich durchaus, aber mit der App kann ich mich trotzdem nicht anfreunden. Außerdem kommt sie leider, leider viel zu spät.

Corona Abstandshalter
Abstandshalter – besser als die App?

Wann kann die Corona-App Sinn machen?

Vielleicht erwartet uns schon bald eine zweite Welle, spätestens im Herbst, wenn die Menschen sich wieder in Räumen begegnen. Dann wird auch die Angst vor einer eigenen Ansteckung wachsen. Möglicherweise sind es auch wieder Bilder aus anderen Ländern die uns zeigen, dass die Gefahr nicht vorbei ist. Jetzt könnt die Corona-Warn-App eine Chance haben. Wissenschaftler sagen, dass mindestens 60 % der Bevölkerung mitmachen müssen, um einen Schutz zu gewährleisten. Ich bin gespannt, ob das mit der Corona-Warn-App jemals erreicht wird.

Update: Facebook Reaktionen

Dieser Beitrag wurde in einer Facebook-Gruppe meiner Heimatstadt geposted. Die Kommentare waren zwar zu erwarten, aber sie erschrecken mich trotzdem. Sie sind zum Teil

  • unreflektiert
  • beleidigend
  • faschistisch

nur weil meine kleine Umfrage, die Ergebnisse und meine Meinung einem Teil der Teilnehmer nicht gefallen. Das ist weder demokratisch noch hat es etwas mit Meinungsfreiheit zu tun. Ich hoffe nur, dass die gelangweilten Facebook-Gruppenmitglieder nicht die Mehrzahl meiner Mitbürger ausmachen. Das wäre in der Tat traurig.