In jedem Forum, bei Facebook und im Freundeskreis höre ich nur von Kindern, die sich wahnsinnig auf die Schule freuen. Sie präsentieren stolz ihre neuen Schulranzen, ihre Mäppchen und Sportsachen. Es wird geplant, geschneidert und natürlich ein Fest zum Schulstart organisiert. Aber was ist, wenn das Kind überhaupt keine Lust auf die Einschulung hat? Wenn es sagt: Ich will nicht in die Schule!
Es ist nicht alles Gold, was im Vorfeld der Einschulung glänzt
Keine Frage, das kommt vor, und zwar gar nicht so selten. Nicht zuletzt durch den Corona-Trubel der letzten Zeit, aber auch durch Erzählungen älterer Geschwister oder wegen Trennungsängsten, neigen viele Erstklässler dazu, lieber auf die Schule zu verzichten. Außerdem fehlt die gefühlvolle Heranführung an das neue Gebäude, den Unterricht, die Klasse und die LehrerInnen. Besuche waren in den meisten Fällen gar nicht möglich – das öffnet Spekulationen und Ängsten Tür und Tor.
Kritische Frage: „Freust du dich auf die Schule?“
Für Kinder, die Angst und Sorgen vor der Einschulung haben, ist diese Frage extrem unbeliebt. Damit werden sie jedes Mal daran erinnert, was sie erwartet. Während der Ferien oder der letzten Tage im Kindergarten können sie die Veränderung verdrängen. Fragen nach der Einschulung holen alles immer wieder hoch. Außerdem wissen sie nicht, wie sie diese Frage beantworten sollen. Eine ehrliche Antwort stößt auf Unverständnis, eine Lüge ist moralisch schwierig.
Große Geschwister sind Helden mit Vorbildcharakter
Und das bedeutet, sie schildern die Schule genau so, wie sie sie erleben. Das kann dazu führen, dass die jüngeren Geschwister denken, ich will nicht in die Schule. Selten kommen sie freudestrahlend nach einem superschönen Schultag nach Hause und hüpfen singend und pfeifend durch die Wohnung. Läuft es gut in der Schule, wird darüber kein Wort verloren. Gibt es Probleme, schimpfen und jammern sie den ganzen Tag. Nicht zu vergessen die elenden Diskussionen und Auseinandersetzungen rund um die Hausaufgaben.
Lernen ist nur eine Seite der Medaille
Wir Erwachsenen wissen alle, dass Leistungssorgen, Probleme mit MitschülerInnen und Ungerechtigkeiten durch die Lehrkräfte durchaus keine Seltenheit sind. Da treten die neuen Errungenschaften schnell in den Hintergrund. Wer Angst vor der Schule hat, freut sich kaum noch darüber, dass er lesen, rechnen und schreiben lernt. Und dann gibt es ja auch noch die Kinder, deren Sorgen sehr berechtigt sind.
Augenpflaster und Harndrang – ich will nicht in die Schule
Fragen rund um die Leistungen sind noch das geringste Problem vieler Erstklässler. Sie haben eher Angst vor dem Ungewissen, davor ein Außenseiter zu sein oder sich zu blamieren:
- „Ich habe Angst davor, im Unterricht aufs Klo gehen zu müssen. Vielleicht darf ich nicht und dann mache ich mir in die Hose.“
- „Ich glaube, die anderen lachen mich wegen meinem Augenpflaster aus. Ich werde das einzige Kind damit sein.“
- „Ich hasse alles, wo ich einen Stift anfassen muss.“
- „Der Kindergarten fehlt mir schon jetzt. Hat die Schule auch eine Bauecke?“
- „Was soll ich denn noch lernen? Eigentlich kann ich doch alles Wichtige.“
- „So früh aufstehen jeden Tag? Dazu habe ich keine Lust!“
- „Bestimmt können die anderen alles besser als ich.“
- „Der Schulweg ist so weit, den schaffe ich niemals alleine.“
Nimm die Sorgen unbedingt Ernst
Auch wenn Vieles überzogen und unnötig ist, dein Kind macht sich echte Sorgen. Diese überschatten seine Einschulung und führen vielleicht dazu, dass es sich nicht auf die Schule einlässt. Einen solchen schlechten Start solltest du versuchen zu vermeiden, auch wenn das nicht immer gelingt. Nimm die Sorgen deines Kindes Stück für Stück vor und sucht gemeinsam nach Lösungen.
Ich will nicht in die Schule: Lösungen
Ängste und Sorgen | Lösungsmöglichkeiten |
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„Ich habe Angst davor, im Unterricht aufs Klo gehen zu müssen. Vielleicht darf ich nicht und dann mache ich mir in die Hose.“ | Ich werde diese Frage noch vor deinem ersten Schultag klären. Du weißt dann ganz genau, wie das geht. |
„Was mache ich, wenn es kein Klopapier in der Schule gibt?“ | Wir werden dir immer eine kleine Packung Feuchttücher in den Ranzen legen. Die nimmst du mit aufs Klo. So hast du im Notfall eine Reserve. |
„Ich glaube, die anderen lachen mich wegen meinem Augenpflaster aus. Ich werde das einzige Kind damit sein.“ | Mal sehen, ob es reicht, das Augenpflaster erst nach der Schule aufzukleben. |
„Ich hasse alles, wo ich einen Stift anfassen muss.“ | Lass uns mal einen richtig schönen Stift für dich aussuchen. Ich kenne ein Geschäft, da gibt es tolle Exemplare. |
„Der Kindergarten fehlt mir schon jetzt. Hat die Schule auch eine Bauecke?“ | Vermutlich nicht. Aber wir können in deinem Zimmer eine einrichten. Dort kannst du nach der Schule stundenlang spielen. |
„Was soll ich denn noch lernen? Eigentlich kann ich doch alles Wichtige.“ | Ja, lass mal überlegen. Du willst ein Fahrrad. Kannst du ausrechnen, wie viel Geld dir dazu noch fehlt? |
„So früh aufstehen jeden Tag? Dazu habe ich keine Lust!“ | Das hat niemand! Lass uns einfach überlegen, wie das frühe Aufstehen schöner werden kann. Lieblingsmusik anmachen, leckeres Frühstück, Kuschelminuten, toller Wecker…. |
„Bestimmt können die anderen alles besser als ich.“ | Nein, jeder kann etwas besonders gut. Überlege mal, was kannst du? |
„Der Schulweg ist so weit, den schaffe ich niemals alleine.“ | Musst du auch nicht. Erstmal gehe ich mit dir. Erst wenn du ganz sicher bist, darfst du es alleine versuchen. Und sicher findest du eine/n FreundIn, die den gleichen Weg hat und dich begleitet. |
Probleme sind dazu da, um gelöst zu werden
Dein Kind wird älter und selbstständiger. Das hat Vorteile und Nachteile. Konzentriert die Sichtweise auf die positiven Veränderungen. Übe keinen Druck auf dein Kind aus, aber mache auch klar, dass Schule nicht verhandelbar ist. Sucht gemeinsam nach Lösungen für alle Probleme. Eine Verhaltensweise, von der dein Kind lebenslang profitieren wird.