Der Lesekompass für besorgte Eltern

Das Lesen ist eine grundlegende Fähigkeit, die den Zugang zu Informationen und Bildung ermöglicht. Kinder, die frühzeitig Lesefähigkeiten entwickeln, haben eine solide Grundlage für das Lernen in anderen Fächern wie Mathematik, Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften. Wem das nicht von selbst gelingt, benötigt unbedingt Leseförderung, wie dieser Lesekompass zeigt. Leseförderung in der Grundschule ist von entscheidender Bedeutung, da aktuelle Ergebnisse und Forschungserkenntnisse zeigen, dass das Lesen eine grundlegende Schlüsselkompetenz für den schulischen Erfolg und die persönliche Entwicklung eines Kindes ist. 

Leseförderung ist wichtig.

Deutschland: Entwicklungsland Leseförderung

Rund und ein Fünftel der ViertklässlerInnen in Deutschland kann nicht mehr richtig lesen, so Ergebnisse des IQB-Bildungstrends von 2021. Die Kompetenzen der Viertklässler in den Fächern Deutsch und Mathematik haben sich im vergangenen Jahr im Vergleich zu vorangegangenen Untersuchungen 2011 und 2016 deutlich verschlechtert. An der Studie beteiligten sich mehr als 26.000 Schüler der vierten Jahrgangsstufe aus rund 1400 Schulen. Die Daten wurden zwischen April und August 2021 erhoben, also ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie, deren Lockdowns auch dazu führten, dass zeitweise kein Unterricht in den Schulen stattfinden konnte.

Lesen Fehlanzeige bei jedem 5. Viertklässler

Warum sollten uns diese Zahlen endlich aufrütteln? Lesekompetenz, das Verständnis und die Interpretation von Texten, ist eng mit dem schulischen Erfolg verbunden. Kinder, die Schwierigkeiten beim Lesen haben, können auch in anderen Bereichen des Lernens zurückfallen. Leseförderung in der Grundschule hilft, diese Kompetenz frühzeitig zu entwickeln und zu stärken. Doch was tun, wenn die Schule doch offensichtlich versagt? Hier können Eltern eingreifen und ihr Kind begleitend unterstützen. Als Vorbild im Umgang mit Geschriebenem, aber auch als sanfte Begleiter beim Prozess des Lesenlernens. Dazu habe ich drei Tipps für dich.

Lesen kann soviel Spaß machen

Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, einem Kind den Spaß am Lesen zu vermitteln. Wir haben 28 unterschiedliche Ideen gesammelt, mit denen auch dein Kind sehr gerne lesen wird. Und ständig kommen neue Ideen hinzu. Probiere es mit Geduld und Lust aus, dein Kind wird begeistert sein.

Alle Kinder müssen lesen lernen - dazu braucht es eine gute Leseförderung.

1. Leseflüssigkeit erhöhen

Um die Leseflüssigkeit deines Kindes zu verbessern, gibt es einige praktische Ansätze, die du anwenden kannst. 

Vorlesen: Nimm dir regelmäßig Zeit, um deinem Kind vorzulesen. Durch das Zuhören und Verfolgen des Textes kann es die Betonung, den Rhythmus und die Intonation der Sprache besser verstehen und übernehmen.

Lesematerialien auswählen: Wähle Bücher oder Texte aus, die dem Leseniveau deines Kindes entsprechen. Zu schwierige Texte können Frustration verursachen und den Lesefluss beeinträchtigen. Bücher mit größerer Schrift, klarem Layout und ansprechenden Themen können das Lesen erleichtern. Orientiere dich an deinem Kind und nicht an den Altersangaben auf den Büchern.

Lesen in Abschnitten: Teile längere Texte in kleinere Abschnitte auf und ermutige dein Kind, diese nacheinander zu lesen. Dies hilft, das Lesen zu strukturieren und fördert ein Gefühl von Erfolg, wenn ein Abschnitt abgeschlossen ist. Ihr könnt auch abwechselnd lesen, jeder einen Satz oder Abschnitt.

Lesen mit Betonung: Ermutige dein Kind, beim Lesen die Betonung auf die richtigen Wörter und Sätze zu legen. Dies hilft dabei, den natürlichen Rhythmus und die Bedeutung des Textes zu erfassen und trägt zur Leseflüssigkeit bei. Zunächst kann dein Kind gerne übertreiben, um zu verstehen, worum es geht.

Lesegeschwindigkeit erhöhen: Ermutige dein Kind, das Lesetempo schrittweise zu steigern, ohne dabei die Genauigkeit und das Verständnis zu vernachlässigen. Du kannst dabei helfen, indem du gemeinsam mit deinem Kind liest und das Tempo vorgibst.

Wiederholtes Lesen: Lass dein Kind denselben Text mehrmals lesen, um die Vertrautheit mit dem Inhalt und den Wörtern zu verbessern. Durch die Wiederholung kann es seine Leseflüssigkeit steigern. Lass es mit unterschiedlicher Betonung oder Stimme lesen, um Spaß zu haben.

Spaß am Lesen fördern: Schaffe eine positive Leseumgebung, in der Lesen als angenehme Aktivität wahrgenommen wird. Ermutige dein Kind, Bücher und Themen auszuwählen, die es interessieren, und belohne es für seine Fortschritte.

2. Lesetechnik verbessern

Um die Lesetechnik deines Kindes zu verbessern, gibt es verschiedene Ansätze und Übungen, die helfen können. Hier sind einige Möglichkeiten.

Finger als Leseführung: Ermutige dein Kind, beim Lesen seinen Finger unter den Text zu bewegen. Dies hilft, den Fokus zu halten und die Augenbewegungen zu kontrollieren, was die Leseflüssigkeit verbessert.

Laut lesen: Fordere dein Kind auf, beim Lesen leise mitzusprechen oder sogar laut zu lesen. Dadurch kann es sich besser auf den Text konzentrieren und die Wörter und Sätze deutlicher wahrnehmen.

Verwendung von Lesetechniken: Zeige deinem Kind verschiedene Lesetechniken wie das Erfassen von Hauptinformationen, das Skimmen (Überfliegen) von Texten, das Markieren wichtiger Stellen oder das Unterstreichen von Schlüsselwörtern. Diese Techniken können helfen, das Verständnis zu verbessern und das Lesen effektiver zu gestalten.

Lesen in kurzen Abschnitten: Anstatt lange Texte auf einmal zu lesen, ermutige dein Kind, den Text in kleinere Abschnitte zu unterteilen und jeden Abschnitt vollständig zu verstehen, bevor es zum nächsten übergeht. Dies hilft, das Verständnis zu fördern und das Lesen weniger überwältigend zu machen.

Lesegeschwindigkeit steigern: Übe mit deinem Kind das Lesen in einem etwas schnelleren Tempo. Du kannst dabei eine Stoppuhr verwenden und das Kind herausfordern, innerhalb eines bestimmten Zeitlimits zu lesen. Allerdings ist es wichtig, dass dein Kind dabei weiterhin genau und verständnisvoll liest.

Vokabelkenntnisse erweitern: Ein umfangreicher Wortschatz ist wichtig, um beim Lesen flüssig voranzukommen. Ermutige dein Kind, neue Wörter zu lernen und ihren Kontext zu verstehen. Das kann durch das Nachschlagen von unbekannten Wörtern im Wörterbuch oder durch regelmäßiges Lesen von Büchern mit verschiedenen Themen erreicht werden.

Lesen in verschiedenen Textarten: Ermutige dein Kind, verschiedene Arten von Texten zu lesen, wie zum Beispiel Sachbücher, Romane, Zeitungsartikel oder Gedichte. Jede Textart hat ihre eigenen Merkmale und erfordert unterschiedliche Lesestrategien.

Regelmäßiges Lesen: Fördere eine tägliche Lesegewohnheit, indem du deinem Kind Zeit zum Lesen gibst und es ermutigst, Bücher auszuwählen, die es interessieren. Je mehr dein Kind liest, desto mehr verbessert es seine Lesefähigkeiten.

Vorlesen lassen: Lasse dein Kind dir vorlesen, um seine Lesefertigkeiten zu üben und sein Selbstvertrauen zu stärken. Gib ihm konstruktives Feedback und ermutige es, sich zu verbessern.

Belohnungen und positive Verstärkung: Lob und Belohnungen können dein Kind motivieren, seine Lesetechnik zu verbessern. Zeige Anerkennung für seine Fortschritte und ermutige es, weiterhin an seinen Lesefähigkeiten zu arbeiten.

3. Leseverstehen trainieren

Um das Leseverstehen deines Kindes zu verbessern, gibt es verschiedene Strategien und Aktivitäten, die du umsetzen kannst. 

Vorlesen und gemeinsames Lesen: Nimm dir regelmäßig Zeit, um deinem Kind vorzulesen und lass es auch selbst lesen. Besprecht gemeinsam den Text, stellt Fragen zum Inhalt und diskutiert darüber. Dadurch wird das Verständnis gefördert und dein Kind lernt, wichtige Informationen aus dem Text zu extrahieren.

Aktives Lesen: Ermutige dein Kind dazu, beim Lesen aktiv zu sein. Dazu gehört das Markieren von Schlüsselwörtern oder wichtigen Informationen im Text, das Anfertigen von Notizen oder das Unterstreichen von wichtigen Sätzen. Dies hilft, das Leseverständnis zu vertiefen und erleichtert das spätere Nachvollziehen des Gelesenen.

Vokabular erweitern: Ein umfangreicher Wortschatz ist entscheidend für das Leseverständnis. Unterstütze dein Kind dabei, neue Wörter zu lernen und ihren Kontext zu verstehen. Du kannst gemeinsam Wörter nachschlagen, Synonyme und Antonyme erforschen oder Wortbedeutungen im Kontext erraten.

Lesestrategien anwenden: Zeige deinem Kind verschiedene Lesestrategien, wie das Vorhersagen des Inhalts anhand von Überschriften oder Bildern, das Stellen von Fragen vor, während und nach dem Lesen oder das Bilden von mentalen Bildern während des Lesens. Diese Strategien helfen dabei, das Verständnis zu fördern und den Text besser zu erfassen.

Lesen in verschiedenen Textarten: Ermutige dein Kind, verschiedene Arten von Texten zu lesen, wie Sachbücher, Romane, Zeitungsartikel oder Gedichte. Jede Textart hat ihre eigenen Merkmale und erfordert unterschiedliche Lesestrategien. Dies erweitert das Verständnis für verschiedene Textstile und Themen.

Diskussionen und Fragen stellen: Stelle deinem Kind Fragen zum Gelesenen, um sein Verständnis zu überprüfen und die Diskussion darüber anzuregen. Frage nach Hauptideen, Details, Charakteren oder möglichen Interpretationen des Textes. Dies fördert das kritische Denken und die Reflexion.

Leseverständnisstrategien explizit lehren: Nimm dir Zeit, um deinem Kind spezifische Leseverständnisstrategien beizubringen, wie das Identifizieren von Hauptideen, das Erkennen von Schlüsselwörtern, das Herstellen von Verbindungen zwischen Text und Vorwissen oder das Erstellen von Zusammenfassungen. Übt diese Strategien gezielt, um das Verständnis zu verbessern.

Lesen von anspruchsvollen Texten: Fordere dein Kind heraus, auch anspruchsvollere Texte zu lesen, die seinem Alter und seinen Fähigkeiten angemessen sind. Dies hilft, das Leseverständnis zu steigern und neue Herausforderungen anzunehmen.

Lesen und Besprechen von aktuellen Themen: Wähle Texte zu aktuellen Themen aus, wie Nachrichtenartikel oder Sachbücher, und diskutiere sie mit deinem Kind. Dadurch wird das Verständnis und das Interesse an aktuellen Geschehnissen und komplexen Themen gefördert. Ihr könnt gemeinsam über verschiedene Standpunkte diskutieren und Meinungen austauschen.

Leseverständnisübungen durchführen: Nutze Arbeitsblätter, Übungen oder Online-Ressourcen, die speziell darauf abzielen, das Leseverständnis zu verbessern. Diese Übungen können Fragen zum Text, Lückentexte, das Ordnen von Informationen oder das Finden von Beweisen enthalten. Sie bieten eine strukturierte Möglichkeit, das Leseverständnis zu trainieren.

Lesen in unterschiedlichen Sprachen: Wenn dein Kind mehrsprachig ist oder eine andere Sprache lernt, ermutige es, auch in dieser Sprache zu lesen. Das Lesen in verschiedenen Sprachen fördert das Verständnis für unterschiedliche Sprachstrukturen und Kulturen.

Lesen als aktive Freizeitgestaltung: Schaffe eine lesefreundliche Umgebung zu Hause, indem du Bücher, Zeitschriften und andere Lesematerialien zur Verfügung stellst. Fördere dein Kind, seine Freizeitaktivitäten mit Lesen zu verbinden und Bücher zu wählen, die es interessieren.

Lesen und Schreiben kombinieren: Ermutige dein Kind, über das Gelesene zu schreiben, sei es in Form von Zusammenfassungen, Buchbesprechungen, Tagebucheinträgen oder eigenen Geschichten. Das Schreiben fördert das Verständnis und die Reflexion über das Gelesene.

Fortschritte loben und belohnen: Anerkenne und belohne die Fortschritte deines Kindes im Leseverständnis. Lob und positive Verstärkung helfen dabei, das Selbstvertrauen und die Motivation aufrechtzuerhalten.

Indem du diese Strategien und Aktivitäten anwendest, kannst du das Leseverständnis deines Kindes verbessern. Es ist wichtig, Geduld zu haben und kontinuierlich zu üben, um langfristige Fortschritte zu erzielen.

Lesenlernen ist eine Herausforderung

Das Lesenlernen ist ein komplexer und anspruchsvoller Prozess, der Zeit und Übung erfordert. Es ist wichtig zu verstehen, dass es für viele Kinder eine Herausforderung darstellt und dass jeder sein eigenes individuelles Tempo hat.

Am Anfang müssen Kinder lernen, Buchstaben zu erkennen, ihre Klänge zu verstehen und sie zu Wörtern zusammenzufügen. Dies erfordert ein Verständnis für das Alphabet und die Fähigkeit, Buchstaben und Laute zu verbinden. Zudem müssen sie ein umfangreiches Vokabular aufbauen, um das Lesen zu erleichtern. Das bedeutet, dass sie viele Wörter lernen und ihre Bedeutungen verstehen müssen, um Texte zu entschlüsseln und zu verstehen.

Die Leseförderung ist komplex, weil das Lesen komplex ist

Das Lesen erfordert auch das Verständnis von Satzstrukturen, Grammatikregeln und Satzzeichen. Kinder müssen lernen, wie Sätze aufgebaut sind und wie sie Sinn ergeben. Darüber hinaus müssen sie Leseflüssigkeit entwickeln, was bedeutet, dass sie die Wörter schnell verarbeiten und den Text in einem zusammenhängenden und verständlichen Rhythmus lesen können.

Mit fortschreitendem Lernprozess werden die Texte, mit denen Kinder konfrontiert werden, komplexer. Sie müssen in der Lage sein, unterschiedliche Textarten zu verstehen, wie Geschichten, Sachbücher oder Lehrmaterialien. Diese Texte können schwierigere Wörter, längere Sätze und abstraktere Konzepte enthalten.

Leseförderung für langsame und schnelle Lerner

Jedes Kind lernt in seinem eigenen Tempo. Einige Kinder entwickeln schnell Lesefähigkeiten, während andere mehr Zeit benötigen. Es ist wichtig, den individuellen Fortschritt zu respektieren und Kindern die Zeit zu geben, die sie brauchen, um das Lesen zu erlernen.

Daher ist es entscheidend, dass Eltern, Lehrkräfte und Betreuer Geduld und Unterstützung bieten, während Kinder das Lesen lernen. Jedes Kind hat unterschiedliche Stärken und Schwächen, und es ist normal, dass es Rückschläge oder Herausforderungen gibt. Durch eine positive und unterstützende Umgebung können Kinder ihr Selbstvertrauen aufbauen und nach und nach ihre Lesefähigkeiten verbessern. Das Lesenlernen ist ein fortlaufender Prozess, der im Laufe der Zeit weiterentwickelt und verfeinert wird.