Hyperaktivität: So erkennst du, ob dein Kind Unterstützung braucht

Die anhaltende Diskussion um AD(H)S, das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit Hyperaktivität, verunsichert viele Eltern mit unruhigen und bewegungsfreudigen Kindern. Ist es noch normal, wenn dein Siebenjähriger fast jeden Tag sein Glas beim Mittagessen umwirft, keine 10 Minuten stillsitzen kann oder dich bei jedem Telefonat stört? Oder wenn deine neunjährige Tochter sich für kein Hobby lange begeistern kann und alle vier Wochen mit einer neuen Idee kommt? Lies hier, was die Hyperaktivität ausmacht und wie du die Konzentration und Aufmerksamkeit deines Kindes steigern kannst.

Nele könnte hyperaktiv sein

Neil ist ständig in Bewegung. Schon morgens, wenn er sich für die Schule anziehen soll, vollbringt der schmächtige Junge akrobatische Meisterleistungen. Er hängt sich dann mit einer Hand an sein Hochbett und zieht sich in dieser Position seine Hose und die Strümpfe an. Dann springt er noch ein wenig auf der Matratze herum und ignoriert hartnäckig das Rufen zum Frühstück. Sein Schulranzen, den er am Vortag achtlos in eine Ecke seines Zimmers geworfen hat, muss noch gepackt werden und auch die Zähne sind noch nicht geputzt. Doch die Uhr läuft, der Unterricht wartet, und Neils Eltern sind schon kurz nach dem Aufstehen erschöpft. Jeden Morgen braucht Neil zahlreiche Ermahnungen, um sich für die Schule fertig zu machen und endlich am Frühstückstisch zu erscheinen.

Hyperaktivität bringt Unruhe ins Haus

Erst wenn Neil endlich die Wohnung verlassen hat und mit dem Nachbarjungen gemeinsamen die wenigen Meter zur Grundschule läuft, können seine Eltern etwas aufatmen und noch in Ruhe einen Kaffee trinken. Doch oft ist der Frieden nur von kurzer Dauer, denn auch in der Schule macht Neil Probleme. Mindestens einmal pro Woche ruft seine Lehrerin die Eltern an. Erfreuliches hat sie selten zu berichten. Neil stört den Unterricht durch Hineinrufen, er ärgert andere Kinder, ist häufig in Streitereien verwickelt und vergisst regelmäßig seine Hausaufgaben. Im Unterricht hört er nicht zu und den Anweisungen der Lehrerin folgt er nur sporadisch. Dabei macht Neil das alles nicht extra und leidet selber unter den ständigen Ermahnungen. Doch er weiß einfach nicht, wie er sich besser konzentrieren kann. Er findet einfach alles interessant, was um ihn herum vor sich geht. Wie soll er da ruhig und konzentriert der Lehrerin zuhören?

Kann es ADHS oder auch ADHD sein?

Das fragen sich seine Eltern schon lange und nach den zunehmenden Schwierigkeiten in der Schule möchten sie der Sache nun endlich auf den Grund gehen. Von Hyperaktivität und ADHS haben sie schon gehört und auch Freunde und Bekannte sprechen sie jetzt immer öfter auf das Verhalten des Jungen an. Ein Test beim Kinderarzt soll Klarheit schaffen und sowohl Neil als auch seinen Eltern das Leben erleichtern. Nach mehreren Terminen und ausführlichen Gesprächen wird bei Neil sowohl hyperaktives Verhalten als auch eine Aufmerksamkeitsschwäche festgestellt. Ein typischer Fall, denn das auffällige Verhalten des Jungen besteht schon geraume Zeit und setzt sich in Schule und Freizeit fort.

Mit der folgenden Checkliste kannst du selber schnell überprüfen, ob dein Kind möglicherweise auch hyperaktiv ist.

Checkliste Hyperaktivität

 JaNein
Ist dein Kind meistens in Bewegung, außer, wenn es am Handy sitzt?  
Ist dein Kind oft laut und unruhig?  
Kann dein Kind Hände und Füße kaum stillhalten?  
Rutsch dein Kind sehr schnell (innerhalb von wenigen Minuten) auf dem Stuhl herum, wenn es sitzen bleiben soll?  
Klettert dein Kind exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist?  
Hat dein Kind meistens Schwierigkeiten, ruhig zu spielen?  
Redet dein Kind übermäßig viel, ist kaum zu stoppen?  
Wird dein Kind von anderen oft als störend empfunden?  
Ist dein Kind durch Aufforderungen nur schwer beeinflussbar („Jetzt setz dich mal ruhig hin!“)?  
Steht dein Kind auch im Unterricht häufig auf, sodass es störend ist?  
Checkliste Hyperaktivität

Oder ist da noch mehr?

Zu dem hyperaktiven Verhalten, das für sich schon eine große Belastung für Familien darstellt, gesellt sich oft noch eine Beeinträchtigung der Konzentration. Die betroffenen Kinder sind nicht nur unruhige und ständig in Bewegung, sie können sich auch nur kurze Zeit konzentrieren und lassen sich von äußeren Reizen sehr schnell ablenken. Dadurch verpassen sie in der Schule wichtige Lerninhalte, sodass mit der Zeit immer größere Wissenslücken entstehen. Achtung: Mit der Intelligenz hat weder die Hyperaktivität noch die gestörte Aufmerksamkeit etwas zu tun.

Checkliste Aufmerksamkeit und Impulsivität

 JaNein
Kann sich dein Kind nicht lange auf etwas konzentrieren?  
Reagiert dein Kind oft impulsiv, also ohne vorher nachzudenken?  
Hat dein Kind häufig spontane Einfälle, denen es jedoch nur sehr kurz nachgeht?  
Zeigt dein Kind wenig Ausdauer bei der Bewältigung von Aufgaben, die ihm von anderen gestellt wurden?  
Ist dein Kind sehr leicht ablenkbar während schulischer Arbeiten wie den Hausaufgaben oder dem Üben für eine Arbeit?  
Macht dein Kind viele Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten oder anderen Tätigkeiten?  
Beachtet dein Kind häufig Einzelheiten nicht?  
Bringt dein Kind Schulaufgaben oder andere Tätigkeiten selten zu Ende, weil es so leicht abgelenkt wird?  
Hat dein Kind Schwierigkeiten, seine Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren?  
Hat dein Kind eine Abneigung gegen Aufgaben, die länger dauernde, geistige Anstrengung erfordern (Mitarbeit im Unterricht, Hausaufgaben, etc.)  
Verliert dein Kind häufig Gegenstände (z. B. Spielsachen, Hausaufgabenheft, Stifte, Bücher, Kleidung, etc.)?  
Ist dein Kind bei seinen alltäglichen Beschäftigungen vergesslich?  
Lässt sich dein Kind durch äußere Reize jeglicher Art sehr leicht ablenken, besonders durch Medien?  
Kann dein Kind nur schwer warten, bis es an der Reihe ist?  
Unterbricht und stört dein Kind andere häufig?  

Auswertung:

Wenn du mehr als 2/3 der obigen Fragen mit ja beantwortet hast, solltest du dein Kind einem Arzt vorstellen und abklären, ob es hyperaktiv ist und an AD(H)S leidet, also eine Aufmerksamkeitsstörung hat. Wichtig ist dabei zu beachten, dass die Symptome der sogenannten hyperkinetischen Störung oder des ADHS über einen längeren Zeitraum zu beobachten sind und für das Entwicklungsalter deines Kindes untypisch sind. Auch müssen die Symptome in mehreren Lebensbereichen auftreten, zum Beispiel zu Hause und in der Schule. Die genaue Abklärung kannst du aber getrost deinem Kinderarzt überlassen, der mit qualifizierten Testverfahren untersucht, ob das Verhalten deines Kindes förder- oder therapiebedürftig ist.

Das hilft deinem hyperaktiven Kind

Kinder mit einem hohen Bewegungsdrang und einer schlechten Konzentrationsleistung brauchen intensive Hilfe und Unterstützung von Elternhaus und Schule. Je geregelter ihr Tagesablauf ist, desto leichter können sie sich darin zurechtfinden – die sportliche Freizeitbetätigung sollte Bestandteil des Nachmittags sein. Hyperaktive Kinder müssen Gelegenheit haben, ihren Bewegungsdrang auszuleben. Es nutzt nichts, sie zu zwingen, lange still zu sitzen. Besser ist es, ihrer Energie ein Ventil zu verschaffen. Versuche, auch das Lernen mit Bewegung zu verknüpfen. Einige Hilfen wären:

  • ein Sitzball als Schreibtischstuhl
  • Laufdiktate
  • Entspannungstechniken
  • ruhige Musik
  • Gelegenheit zur Bewegung, z.B. ein Buch aus dem Regal nehmen
  • kurze Lerneinheiten, viele Wiederholungen

Darüber hinaus ist ein liebevolles und konsequentes Verhalten deinem Kind gegenüber enorm wichtig. Auch wenn es wirklich mühsam ist, helfen klare Regeln und Absprachen betroffenen, hyperaktiven Kindern sehr beim Lernen. Z.B.

  • Belohnungssystem / Punktepläne
  • Pläne für Handlungsabläufe erstellen (möglichst nicht mehr als drei Dinge nacheinander, z.B. Bett machen, Ranzen packen, Meerschwein füttern)
  • Rituale zur Strukturierung des Tagesablaufes

Mein Tipp:

Nicht jedes unruhige Kind ist gleich verhaltensauffällig. Vielmehr besteht heute eine Tendenz dazu, bewegungsfreudige und neugierige, kontaktfreudige Kinder skeptisch zu betrachten. Die beschränkten Möglichkeiten, sich im Freien auszutoben, und der stetig wachsende schulische Leistungsdruck, erfordern schon von kleinen Kindern eine hohe Selbstkontrolle. Diese gelingt nicht allen sofort, was auch völlig normal ist. Wenn sich jedoch die Anzeichen auf Hyperaktivität mehren und das Verhalten deines Kindes auf Dauer unangemessen ist, solltest du unbedingt Fachleute zurate ziehen. Ein erfahrener Kinderarzt oder eine Ärztin, ein sozialpädiatrisches Zentrum oder eine Erziehungsberatungsstelle können die auftretenden Fragen meist schnell beantworten.