Lesen lernen

Als ich in die Schule gekommen bin, konnte ich es gar nicht erwarten, Lesen zu lernen. Ganze Nachmittage habe ich auf der Fensterbank mit einem Buch verbracht, besonders wenn es regnete oder meine FreundInnen keine Zeit hatten. Ich habe auch unter der Bettdecke gelesen und nachts von den Abenteuern „Der Schwarzen Sieben“ geträumt. Ein oder zwei dieser Bücher mit vergilbten Seiten stehen sogar heute noch ganz hinten bei mir im Regal.

Die Alternativen zum Buch waren längst nicht so vielfältig, wie das heute der Fall ist, und darüber bin ich eigentlich ganz froh. Meine Eltern mussten keine Energie darauf verwenden, mich vom Fernsehen, Computer, Smartphone oder einer Spielekonsole loszueisen. TikTok, Instagram, Facebook und YouTube waren nicht einmal gedanklich geboren. Bei meinen Söhnen war es schon viel komplizierter, ihre Lesefähigkeit zu fördern und ihr Interesse an Büchern zu wecken. Doch mit Geduld, kleinen Tricks und vor allen Dingen interessantem Lesestoff ist es letztlich doch gelungen.

Tipps, um dein Kind fürs Lesen zu begeistern

Auf den folgenden Seiten findest du viele alte und neue Anregungen, um dein Kind an Bücher und das Lesen heranzuführen.

Hast du schon einmal darüber nachgedacht, aus wie vielen verschiedenen Komponenten sich die Schlüsselkompetenz Lesen zusammensetzt? Als Grundlage für den Wissenserwerb in der Schule, für das lebenslange Lernen und für die Möglichkeit, gesellschaftliche Entwicklungen schnell mitzubekommen, ist sie unverzichtbar. Darüber hinaus bildet Lesen auch die Persönlichkeit des Menschen. Märchen, Geschichten und Berichte fördern die Sensibilität, tragen zur Entwicklung einer eigenen Moral bei und helfen (d)einem Kind, fremdes Verhalten zu verstehen. Das alles gelingt jedoch nur, wenn sich die Lesefähigkeit fortschreitend entwickelt.

Lesen lernen
Lesen ist eine Kernkompetenz

Im Laufe der Grundschulzeit sollte dein Kind lernen

  • altersgemäße Texte sinnverstehend zu lesen
  • lebendige Vorstellungen beim Lesen und Hören literarischer Texte zu entwickeln
  • verschiedene Sorten von Sachtexten kennen zu lernen
  • sich für Bücher zu begeistern und freiwillig zu lesen
  • bekannte Kinderliteratur zu lesen
  • Erzähltexte, lyrische und szenische Texte zu kennen und zu unterscheiden
  • Zeitungen und Zeitschriften zu lesen
  • das Lesetempo immer weiter zu steigern
  • sich unterschiedliche Texte zu erschließen
  • eigene Gedanken zu Texten zu entwickeln
  • vom lauten zum leisen, inneren Vorlesen zu kommen

Lesen heißt auch verstehen

Diese Fähigkeiten gehen weit über das reine Handwerk des Lesens hinaus. Leider gibt es immer noch genug Schulabgänger, die als sogenannte funktionale Analphabeten ins Leben starten. Es werden sogar wieder mehr, was für mich unverständlich und sehr bedrohlich erscheint. Sie können zwar alle Buchstaben und können auch einfache Wörter und Texte lesen, der Sinnzusammenhang des Gelesenen erschließt sich ihnen jedoch nicht. Für den Leseanfänger ist das noch ein normaler Entwicklungsschritt, für den Schulabgänger jedoch eine Katastrophe. Manche Kinder brauchen wirklich lange, bis sie herausfinden, dass Lesen richtig Spaß machen kann. Die mühsame Zeit des langsamen Lesens, das stolpernde Entschlüsseln von längeren Wörtern und das Erfassen des Sinnes hinter den Buchstaben kann dauern. Nur gut, wenn du deinem Kind dann geduldig und kreativ dabei hilfst, ein sicher Lesender zu werden. Deine Unterstützung und Vorbildfunktion sind beim Lesen gar nicht stark genug zu betonen.

Leseschwäche frühzeitig erkennen

Nicht immer liegt es an der Motivation oder fehlenden Angeboten und Vorbildern. Manche Kinder haben auch einfach enorme Probleme mit dem Lesen. Je früher Kinder mit einer Leseschwäche entdeckt und gefördert werden, desto schneller können sie ihre Schwierigkeiten überwinden. Dabei sind Motivation, Ermutigung, Geduld und ein individuelles, gezieltes Training die zentralen Faktoren, die zum Erfolg führen. Eine Leseschwäche schon in der ersten Klasse zu erkennen, ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich. Es gilt dabei zu unterscheiden, ob ein Kind sich dem Lesen aus Desinteresse oder Unvermögen verschließt. In beiden Fällen bleibt das Kind beim Lesenlernen in seinem Tempo weit hinter den anderen Kindern zurück und zeigt ein Vermeidungsverhalten, das zunimmt. Lesen macht ihm einfach keinen Spaß! Dann solltest du dich nicht scheuen, Fachleute hinzuzuziehen.

Übe täglich 10 Minuten mit deinem Kind

In meiner lerntherapeutischen Praxis habe ich noch nie erlebt, dass ein Kind nicht lesen gelernt hätte. Vorausgesetzt, es hat wirklich fast täglich ein wenig geübt. Das ist natürlich eine große Herausforderung für die Eltern, die dieses konsequente Üben in der Grundschule unterstützen müssen. Doch der Einsatz lohnt sich! Wenn leseschwache Kinder mit Büchern aufwachsen und Eltern haben, die ihnen die Welt der Buchstaben und Wörter eröffnen, wird die Leseschwäche überwunden.