Die Aufgabe von Eltern ist es, ihr Kind auf seinem Weg in die Selbstständigkeit zu begleiten. Das gilt für alle Lebensbereiche, besonders auch für die Schule. Lernexperten nennen das autonomieunterstützende Hilfe oder auch selbstbestimmtes Lernen. Was das genau bedeutet und wie du das zu Hause umsetzen kannst, erkläre ich dir hier.
Seien wir ehrlich, trotz jahrelanger Bemühungen haben es die meisten Schulen nicht geschafft, Mütter und Väter nachhaltig zu entlasten. Nach wie vor müssen die meisten Eltern nachmittags mit ihren Kindern sehr viel für die Schule lernen, wenn das Kind richtig gut sein will oder soll. Dazu gehört, es auf die nächste Klassenarbeit vorzubereiten, Hausaufgaben zu kontrollieren oder Vokabeln abzufragen. Was in der ersten Klasse oft noch lustvoll und spielerisch geschieht, entwickelt sich in kurzer Zeit zu einer anstrengenden Daueraufgabe. Dabei sind Eltern auf diese Aufgabe überhaupt nicht vorbereitet, schon gar nicht beim ersten Kind.
Komm, wir machen es zusammen!
Klar, in der ersten Klasse sind Eltern und Kinder noch hochmotiviert und freuen sich zusammen über den neuen Lebensabschnitt. Jeder Tag in der Schule ist aufregend und jedes Lernerlebnis macht Spaß. Kein Wunder, dass besonders Erstklässler ihre Hausaufgaben zusammen mit den Eltern machen. Meistens brauchen diese sowieso nicht länger als 30 Minuten und man kann es sich dabei auch richtig gut gehen lassen. Schließlich waren alle Eltern auch selber mal in der Schule und freuen sich darüber, dieses Gefühl noch einmal zu erleben.
Selbstbestimmtes Lernen geht am Anfang ganz leicht
Bevor dein Kind in die Schule kommt und auch noch im ersten Schuljahr ist es ein großer Spaß, gemeinsam alles vorzubereiten und in die neue Welt einzutauchen. Den Schulranzen aussuchen, einen Schreibtisch auswählen und die ersten Bücher und Hefte gemeinsam ansehen. Oft gehen Eltern hier schon Schritt für Schritt alles zusammen mit ihrem Kind. Doch der Reiz des Neuen verblasst und bald schon kehrt der Alltag ein. Jetzt müssen Eltern sich wieder vermehrt ihrer eigenen Arbeit zuwenden und die Kinder sollen selbstständig arbeiten. Funktioniert das?
Nimm deinem Kind nicht alles ab
Doch schnell wird aus der „kleinen Hilfe“ eine Dauerunterstützung. Die sogenannten Helikoptereltern sind in aller Munde und jeder weiß, dass Kinder vom Rundum-Sorglos-Paket langfristig nicht profitieren.
- Doch wo genau fängt die Überversorgung bei den Hausaufgaben an?
- Und an welchem Punkt ist Hilfe wirklich notwendig?
- Was musst du tun, um das selbstbestimmte Lernen zu fördern?
Verschiedene Untersuchungen zeigen es. Kinder sollten so früh wie möglich selbstbestimmte Formen der Lernmotivation entwickeln.
5 Schritte zum selbstständigen Lernen
- Unterstütze dein Kind so viel wie nötig und so wenig wie möglich.
- Ermutige es immer wieder, auftretende Probleme selbstständig zu lösen.
- Beim Lösen von Aufgaben sollte dein Kind frühzeitig lernen, das Ganze zu betrachten. Kleinschrittige Anweisungen sind nicht hilfreich.
- Nimm Leistungsprobleme ernst und finde gemeinsam mit deinem Kind die Gründe dafür heraus.
- Sucht gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten und nimm die Umsetzung ernst.
Beispiel: Lukas hat Probleme mit dem schriftlichen Multiplizieren
Mathematik zählt nicht zu Lukas Lieblingsfächern, und beim schriftlichen Multiplizieren hat er massive Probleme. Er ist lustlos, unmotiviert und ruft alle 3 Minuten nach seiner Mutter, weil er nicht weiterkommt. Die Hausaufgaben ziehen sich endlos hin und sowohl Lukas als auch seine Mutter sind genervt.
Schritt für Schritt zum selbstständigen Lernen
So reagiert Lukas Mutter falsch | So reagiert Lukas Mutter richtig |
Um dem Elend ein Ende zu machen, setzt sich Lukas Mutter neben ihren Sohn und gemeinsam rechnen sie Stück für Stück die Aufgaben aus. Dabei gehen sie sehr kleinschrittig vor. Lukas Mutter fragt beispielsweise: „Jetzt rechnest du drei mal vier und schreibst es links unter dem Strich.“ Wenn Lukas dies gemacht hat folgt die nächste Anweisung. Die Mathe Hausaufgaben sind nun zwar innerhalb von 15 Minuten erledigt, gelernt hat Lukas dabei aber nur, wie er die Unterstützung seiner Mutter bekommt. Schriftlich Multiplizieren kann er immer noch nicht. | Auch wenn es weh tut, Lukas muss den Weg des schriftlichen Multiplizierens als Ganzes verstehen. Seine Mutter schreibt ihm eine einfache Beispielaufgabe auf und markiert mit Pfeilen die einzelnen Rechenschritte, sodass Lukas diese Schritt für Schritt selber nachvollziehen kann. Dann sehen sich beide noch gemeinsam ein Lernvideo an. Nun lässt sie ihren Sohn alleine arbeiten. „Wenn du eine Aufgabe gelöst hat, kannst du mich zur Kontrolle rufen. Wenn du alle Aufgaben alleine schaffst, ist noch genug Zeit, um zum Abendessen deinen Lieblingsdrink zu machen.“ So hat Lukas eine Rechenhilfe bekommen und wird gleichzeitig motiviert. |
Hilf mir, es selbst zu tun!
Dieses klassische Motto von Maria Montessori kommt aus der Kindergartenpädagogik und passt auch auf die Einhaltung. Je mehr Erfolgserlebnisse Kinder haben, weil sie ein Problem selber lösen konnten, desto mehr trauen sie sich zu. Sie sind motivierter und entwickeln Lust am Lernen.
Unterstütze dein Kind bei diesen 5 Punkten für sein selbstbestimmtes Lernen
- Erlaube ihm, sich seinen Arbeitsplatz selber auszusuchen und zu gestalten. So übernimmt dein Kind von Anfang an Verantwortung für seine Lernsituation.
- Erlaube ihm, die Lernzeit selber auszusuchen. So kann es langsam lernen, wann die beste Zeit dafür ist.
- Vereinbart einen Termin pro Woche, an dem das Kinderzimmer und alle Schulsachen aufgeräumt werden. Gib deinem Kind die Gelegenheit, das alleine zu machen. Es wird dann vielleicht erst mal nicht so perfekt, aber nach und nach wird es sicherlich immer besser.
- Kläre mit deinem Kind, dass es ausreichend, regelmäßig und ungestört schlafen muss. Vereinbart eine Zeit, Zimmer dunkel und still ist. Das betrifft natürlich auch alle elektronischen Geräte und das Handy.
- Von Anfang an sollte dein Kind seinen eigenen Lernrhythmus finden. Vielleicht beginnt es die Hausaufgaben immer mit einem frischen Getränk, dem Öffnen des Fensters oder seinem Lieblingslied. Die Reihenfolge der Unterrichtsfächer wird festgelegt und es probiert die ein oder andere Lerntechnik aus.
Selbstbestimmtes Lernen braucht Geduld, auch deine!
Die Zeit, die du am Anfang dafür investiert, zahlt sich später auf jeden Fall aus. Unterstützt dein Kind dabei, selbstständig zu lernen und Verantwortung zu übernehmen. Das wird dein Kind nicht mehr in der Schule weiterbringen, sondern ihm auch Lebensweg viel nutzen. Sei also keine Helikopter Mama und kein Hubschrauber Papa, sondern versuche viel mehr dein Kind nur dann zu unterstützen, wenn es deine Hilfe auch wirklich braucht.