Geschichten vorlesen: Wie lange sollst du das machen?

Geschichten vorlesen ist nicht nur ein schönes Ritual, sondern auch ein entscheidender Faktor für die kindliche Entwicklung. Viele Eltern fragen sich, wie lange sie ihren Kindern vorlesen sollten und warum es so wichtig ist, diese Praxis auch im fortgeschrittenen Alter beizubehalten. In diesem Beitrag gehen wir darauf ein, wie lange Vorlesen sinnvoll ist, welche Vorteile es bietet und wie du das Vorlesen gestalten kannst, um den größtmöglichen Nutzen daraus zu ziehen.

Warum ist Geschichten vorlesen so wichtig?

Das Vorlesen hat zahlreiche Vorteile, die sich positiv auf die kognitive, sprachliche und emotionale Entwicklung von Kindern auswirken. Es ist mehr als ein angenehmer Zeitvertreib – es legt den Grundstein für viele wesentliche Fähigkeiten, die Kinder ihr Leben lang begleiten.

Die wichtigsten Vorteile des Vorlesens:

  • Sprachentwicklung: Durch das Vorlesen erweitert sich der Wortschatz der Kinder. Sie hören Wörter und Satzstrukturen, die in der alltäglichen Kommunikation seltener verwendet werden.
  • Konzentration und Aufmerksamkeit: Vorlesen fördert die Fähigkeit, aufmerksam zu bleiben und sich auf eine Geschichte zu konzentrieren. Diese Kompetenzen sind auch in der Schule von großer Bedeutung.
  • Kognitive und soziale Entwicklung: Beim Vorlesen setzen sich Kinder mit verschiedenen Charakteren, Emotionen und Problemen auseinander. Dies fördert ihr Verständnis für komplexe soziale Situationen und steigert das Empathievermögen.
  • Lesemotivation: Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, entwickeln häufig ein größeres Interesse am selbstständigen Lesen.

Studien, wie die der Stiftung Lesen, haben gezeigt, dass Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, bessere Startchancen in der Schule haben. Diese Kinder verfügen über einen reicheren Wortschatz und schneiden in Sprach- und Lesetests besser ab als Gleichaltrige, denen nicht vorgelesen wurde.

Wie lange sollte man Kindern vorlesen?

Die Frage nach der Dauer des Geschichten vorlesen hängt vom Alter des Kindes und seiner Aufmerksamkeitsspanne ab. Hier sind allgemeine Richtlinien:

  1. Kleinkinder (0–3 Jahre): In dieser Phase ist die Aufmerksamkeitsspanne noch kurz. Vorlesezeiten von etwa 5–10 Minuten reichen meist aus. Wichtiger als die Dauer ist die Regelmäßigkeit. Hier können Eltern auch Lieder oder gereimte Geschichten vorlesen, die durch Wiederholung vertraut werden.
  2. Vorschulkinder (4–6 Jahre): Jetzt sind Kinder in der Lage, sich längere Geschichten anzuhören. Vorlesezeiten von 15–30 Minuten sind angemessen. In diesem Alter können einfache Fragen zum Inhalt gestellt werden, um das Verständnis zu fördern.
  3. Grundschulkinder (6–10 Jahre): Auch wenn Kinder beginnen, selbstständig zu lesen, sollte das Vorlesen nicht aufhören. Tägliche Vorlesezeiten von 20–30 Minuten sind ideal, um die Leselust weiter zu stärken und komplexere Geschichten einzuführen.
  4. Ältere Kinder (10+ Jahre): Selbst bei Kindern im späten Grundschulalter oder sogar bei Teenagern kann gemeinsames Vorlesen ein bereicherndes Erlebnis sein. Vorlesezeiten von 20–30 Minuten können dabei helfen, Bücher zu erschließen, die sie vielleicht allein nicht lesen würden, wie Klassiker oder anspruchsvolle Literatur.

Tipp: Es ist nicht zwingend notwendig, das Vorlesen jeden Tag genau gleich lang zu gestalten. Die Neugier und das Interesse des Kindes sollten maßgeblich bestimmen, wie lange vorgelesen wird.

Wie man das Vorlesen spannend und interaktiv gestaltet

Damit das Vorlesen nicht zur reinen Pflicht wird, sondern ein Erlebnis bleibt, gibt es einige bewährte Tipps:

  • Stimme und Intonation: Variiere die Lautstärke und die Sprechweise, um den Charakteren Leben einzuhauchen. Eine spannende Geschichte wird noch spannender, wenn die Stimme der Hexe krächzt oder der Held entschlossen spricht.
  • Fragen stellen: Involviere dein Kind, indem du Fragen stellst wie „Was glaubst du, passiert als Nächstes?“ oder „Wie fühlt sich die Figur wohl?“.
  • Bilderbücher nutzen: Für jüngere Kinder sind Illustrationen eine wunderbare Ergänzung zur Geschichte. Sie helfen, den Inhalt zu verstehen und regen die Fantasie an.
  • Rollentausch: Lasse dein Kind einmal die Rollen übernehmen und dich fragen oder kommentieren, was vorgelesen wurde. Das macht das Geschichten vorlesen zu einem aktiven Dialog.

Vorlesen für ältere Kinder: Warum man nicht zu früh aufhören sollte

Viele Eltern hören auf, ihren Kindern vorzulesen, sobald diese selbst lesen können. Dabei kann Vorlesen auch für ältere Kinder und Teenager viele Vorteile bieten:

  • Förderung des Leseverständnisses: Selbst ältere Kinder profitieren davon, wenn sie komplexe Texte vorgelesen bekommen. Dies kann Bücher betreffen, die eine schwierigere Sprache haben oder tiefere Themen behandeln.
  • Gemeinsame Zeit: Vorlesen schafft Momente der Nähe und stärkt die Beziehung zwischen Eltern und Kind. Gerade in der Zeit der Vorpubertät und Pubertät, in der Kinder sich oft zurückziehen, kann gemeinsames Vorlesen eine wertvolle Brücke sein.
  • Kulturelle und literarische Bildung: Eltern können durch das Vorlesen von Klassikern oder anspruchsvolleren Werken einen literarischen Horizont eröffnen, den Kinder allein nicht entdecken würden.

Die Nachteile, wenn nicht vorgelesen wird

Es gibt leider auch negative Konsequenzen, wenn Vorlesen in der frühen Kindheit und darüber hinaus vernachlässigt wird. Kinder, denen nicht vorgelesen wird, weisen häufig:

  • einen kleineren Wortschatz auf,
  • Schwierigkeiten im Textverständnis und
  • weniger Lesemotivation.

Das kann sich langfristig auf die schulische Laufbahn und den Spaß am Lesen auswirken. Die fehlenden Vorleseerfahrungen führen oft dazu, dass Kinder das Lesen als Pflichtaufgabe und nicht als Freizeitvergnügen betrachten.

Vorlesen als Basis für eine lebenslange Leselust

Das Vorlesen sollte nicht als Aktivität für Babys und Kleinkinder abgetan werden. Es ist ein integraler Bestandteil der Sprachförderung, der weit über die ersten Lebensjahre hinaus reichen sollte. Je länger und regelmäßiger Eltern ihren Kindern vorlesen, desto besser sind die Chancen, dass diese Kinder zu begeisterten Leserinnen und Lesern heranwachsen, die nicht nur Freude an Büchern haben, sondern auch davon profitieren – in der Schule und im späteren Leben.

Schaffe Vorleserituale, die deinem Kind gefallen, und passe sie dem Alter und den Interessen an. Vorlesen ist ein Geschenk, das sich lohnt – für beide Seiten.