Sie erschrecken sich leicht, sind sehr vorsichtig und kommen bei Lärm und Krach schnell an ihre Grenzen. Hochsensible Kinder haben eine besonders intensive Wahrnehmungsfähigkeit, sie nehmen mehr Reize als andere Kinder auf. Kein Wunder, wenn die Geräusche, Gerüche und Eindrücke manchmal zu viel werden und sie sich dann zurückziehen und „abschalten“. Dabei ist die besondere Fähigkeit ein Segen, wenn Familie, Freunde und Schule ein wenig Rücksicht nehmen.
Corona ist nicht schlecht
Generell ist es leiser und langsamer in Deutschland geworden. Nicht überall, aber doch noch immer an einigen Plätzen. In der Schule sind die Klassen noch halbiert, die Stadt ist nicht so voll, Geschäfte werden bewusster betreten und viele menschen passen auf, anderen nicht zu nah zu kommen. Für Hochsensible ist diese Zeit des Rückzugs eine Wohltat. Oder?
Feingefühl und Ideenreichtum sind gefragt
Hochsensible Kinder haben Probleme an Stellen, die anderen gar nicht auffallen. Sie nehmen sich Vieles sehr zu Herzen, verarbeiten Eindrücke intensiver und länger oder sind von Gerüchen und Geräuschen schnell ermattet. Obwohl die Hochsensibilität keine anerkannte Krankheit ist und es auch keine einheitliche Diagnosemöglichkeit gibt, ist die Existenz der Besonderheit nicht von der Hand zu weisen.
Mögliche Anzeichen für eine Hochsensibilität können sein:
- Schon als Babys brauchen sie viel Kontakt und körperliche Nähe, schlafen nicht gerne alleine und fordern gleichbleibende Strukturen ein.
- Kinder, die sehr kritisch auf Kleidung reagieren. Sie wollen weder Knöpfe noch Reißverschlüsse tragen, stören sich an Wolle oder Schnürsenkeln.
- Hochsensible Kinder sind durch zu viele Freizeitangebote, spontane Ausflüge und größere Kindergruppen schnell überreizt. Sie brauchen Rückzugs- und Ruhemöglichkeiten.
- Sie bevorzugen ein oder zwei feste Freundschaften anstatt Kindergruppen. In diesen Freundschaften sind sie fantasievoll und kreativ, blühen auf.
- Wenn auf ihre Besonderheit keine Rücksicht genommen wird, werden sie leicht krank, weil sie schnell erschöpft und müde sind.
Schule: Konzentration auf das Wichtige
Gerade bei Schulkindern steigen die Anforderungen schnell an. Für hochsensible Kinder ist das eine große Herausforderung. Sie sollten sich zumindest anfangs ganz auf die Schule konzentrieren und nicht noch anstrengende und fordernde Hobbys ausüben. Nach den „lärmenden“ Stunden in der Klasse und auf dem Pausenhof brauchen hochsensible Kinder Ruheoasen am Nachmittag. Entspannend sind auch Freizeitbeschäftigungen mit Tieren oder gemütliche Treffen mit dem besten Freund. Fernsehen oder Computer sollten eher eingeschränkt genutzt werden.
Übersicht: Typisches Verhalten hochsensibler Kinder
- Empfinden Gefühle sehr intensiv und beschäftigen sich lange mit den Dingen (Tod Haustier)
- Reiche, emotionale Reaktionen, auch auf alltägliche Dinge (schlechte Note hängt lange nach)
- Viel Mitgefühl und mehr Sorgen (wittern überall Probleme)
- Meister im Dinge auf sich selber beziehen, persönlich nehmen, hinterfragen Äußerungen anderer sehr intensiv und grübeln darüber
- Schwer, Entscheidungen zu treffen, Entscheidungen werden oft umgeworfen
- Selbstvorwürfe, ärgern sich über ihre Fehler, empfinden alles als schlimmer (hätte mehr lernen sollen, mich besser vorbereiten sollen)
- Detailverliebtheit, kleinste Details werden wahrgenommen, merken Veränderungen und erkennen Stimmungen, gute Intuition
- Teamarbeiter, können sich gut eingliedern, gute Menschenkenntnis, analysieren gut, können sich aber nicht entscheiden, als Teamleiter, Entscheider, Chef überfordert
- Lärmempfindlichkeit, keine Gewöhnung an wiederkehrende Geräusche, Großraumbüro schlecht, kleines Büro besser, Selbstständigkeit anstreben (Partysyndrom im Klassenzimmer)
- Neigung zu Ängsten und Depressionen, besonders bei schlechter Bindungserfahrung – Abgrenzung muss gelernt werden (Trennung der Eltern beziehen sie auf sich selbst)
- Einzelsportler eher als Teamsportler, werden nicht gerne beobachtet, haben anderen Grundumsatz, sind schneller erschöpft (keine Leistungssportler, lieber Musikinstrument lernen, Schach spielen)
- Abneigung gegen Gewalt, große Empathie lässt sie selber schlecht fühlen, sehen keine Krimis, lehnen gewalttätige Computerspiele ab und sehen wenig fern (Filme machen Angst)
- Emotionen sind sehr stark (Misserfolg hängt lange nach)
- soziale Ader ist oft stark ausgeprägt (hilfsbereit)
- Gute Manieren sind ihnen wichtig, sie schmatzen, rülpsen oder furzen nicht vor anderen
- Kritik annehmen ist schwer, vermeiden diese Situationen eher, Verarbeitung und Betroffenheit sind groß (vorsichtig formulieren)
- Extrem überhöhter Selbstanspruch, Zufriedenheit schwer zu erlangen
Dauerthema: Das kratzt, juckt und sticht
Ein Dauerthema bei hochsensiblen Kindern ist die Kleidung. Fast alle haben bestimmte Abneigungen, die sie einfach nicht überwinden können. Viele vertragen an der Haut keine kratzigen Materialien, wie beispielsweise Wolle, Filz oder Cord. Auch synthetische Fasern sind ihnen unangenehm. Dabei können schon kleinste Spuren eines synthetischen Fadens starkes Unwohlsein auslösen, zum Beispiel in Nähten oder Etiketten. Die Liste der Abneigungen ist, dass alle Eltern von hochsensiblen Kindern können Sie noch erweitern. Probleme gibt es unter anderem bei:
- Reißverschlüssen
- Strumpfhosen (zu eng oder zu weit)
- Ärmel (zu kurz oder zu lang)
- Knöpfe werden oft jahrelang abgelehnt
- Schnürsenkel (die meisten Kinder tragen Schuhe mit Klettverschluss)
- Stoffart (zu kratzig oder zu fest)
- Umstieg von Sommer auf Winterkleidung
- Halt in den Schuhen (muss bei beiden Füßen identisch sein)
- Unterwäsche darf nicht drücken
- Nähte an den Strümpfen, besonders zwischen den Zehen
- Es darf nicht am Körper “flattern”
- Sandkorn in den Schuhen
- Wäschezettel in der Kleidung
- nasse oder schmutzige Kleidung
- Falten in der Kleidung
Manchmal hilft Ablenkung
Bei manchen Kindern hilft es, sie beim Anziehen abzulenken. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten, beispielsweise etwas Spannendes zu erzählen oder auch beim Anziehen immer wieder den Raum zu wechseln, weil Kleidungsstücke in einem anderen Zimmer liegen.
Beispiel: Sascha hat eine starke Abneigung gegen Knöpfe aller Art. Er trägt keine Hosen mit Knöpfen, keine Hemden und keine Jacken. Warum ihm Knöpfe nicht gefallen, kann er nicht ausdrücken. Es wirkt fast so, als hätte er Angst davor. Seine Eltern haben sich darauf eingestellt und kaufen ihm Hosen mit Gummizug, Jacken mit Klettverschluss und T-Shirts oder Sweatshirts. Problematisch wird es nur, wenn Sascha für den Auftritt in seiner Theatergruppe spezielle Kostüme benötigt. Gerade in den alten Märchen sind Klettverschlüsse an den Kostümen nicht passend. Es finden jedes Mal intensive Überlegungen statt, welche Kleidung Sascha in seiner Rolle tragen kann. Da alle Sascha Besonderheit akzeptieren, findet sich glücklicherweise immer eine Lösung.
Mein Tipp: Nehmen Sie Ihr Kind beim Kleiderkauf unbedingt mit, damit es schon im Geschäft ausprobieren kann, ob alles in Ordnung ist. Bitte versuchen Sie nicht, die Empfindungen Ihres Kindes als Unsinn abzutun. Da hochsensible Kinder, sowohl Jungen als auch Mädchen, sich von Kleidung wirklich stark gestört fühlen können, werden sie nicht nachgeben. Vermeiden Sie Machtspiele, sondern überlassen Sie Ihrem Kind, was es tragen möchte. Hat es sich dann jedoch einmal entschieden, sollten Sie auch möglichst konsequent bleiben.
Tipps zur Kleiderfrage
Die Probleme der Kleidung kennen vermutlich alle Eltern von hochsensiblen Kindern. Jeder hat dagegen sein eigenes Heilmittel. Was bei dem einen Kind hilft, muss bei dem anderen nicht auch funktionieren.
- Es gibt besonders weiche Strümpfe, die mit wenig Nähten auskommen.
- Wenn ein Kind im Winter keine Strumpfhosen unter seiner Hose anziehen mag, lässt es sich vielleicht auf die weicheren Leggins ein.
- Anstelle einer kratzigen Jeans kann auch eine stabile Jogginghose eine gute Alternative sein.
- Bei manchen Hosen hilft es, sie umzudrehen und mit der Naht nach außen zu tragen.
- Cordhosen sind weicher als Jeans.
- Kleidung sollte gewaschen werden vor dem Tragen, damit sie nach “Zuhause” riecht.
- Unterwäsche zwickt nicht, wenn sie ein bis zwei Nummern größer ist.
- Selbst genähte Hosen aus Alpenfleece sind super weich.
- Mäntel aus Schurwolle sind sehr weich, warm und leicht.
- Schilder in Kleidung immer komplett heraustrennen, mit Nähfaden. Besonders die Plastiknähte kratzen sehr.
- Gewaschene Kleidung im Trockner trocknen, das macht sie weicher.
- Auch Strümpfe, Hemdchen und Unterhosen können umgedreht getragen werden, sodass die Nähte außen liegen.
- Schuhe übers Internet bestellen und zu verschiedenen Tageszeiten Probe anziehen. Keine schnelle Entscheidung.
- Skiunterwäsche kann als normaler Winterpulli getragen werden, ist weich und warm.