Lehrerin sein war mal ein toller Job

Lehrerin sein war mal ein toller Job
Das erkläre ich dir!

Ja, die Zeiten sind wirklich nicht einfach und manche Berufsgruppen haben es besonders schwer. Unbestritten, dass zu unseren Alltagshelden momentan das medizinische Personal und auch die Verkaufenden in den Supermärkten gehören. Ebenso gefährdet, aber weitaus häufiger beschimpft als gelobt, sind Lehrerin und Lehrer. Ich möchte an dieser Stelle einmal eine Lanze brechen für die ganzen engagierten Pädagoginnen und Pädagogen, die nicht nur in der Notbetreuung, sondern auch im Präsenzunterricht tagtäglich mit der Gefahr der Infektion und einer starken Veränderung ihres Berufsalltages konfrontiert sind.

Händewaschen statt Tafel wischen

Eine meiner besten Freundinnen ist Lehrerin einer siebten Klasse. Derzeit versteht sie sich kaum noch als Pädagogin, sondern vielmehr als Hygienepolizistin. Sie muss die Kinder am Schuleingang abholen und Tag für Tag gemeinsam mit Ihnen die Hände waschen. Sie bewacht die Schultoilette und desinfiziert Pulte. Nach dem Unterricht geleitet sie die Schülerinnen und Schüler wieder zur Ausgangstür. Es gibt keine gemeinsame Pause auf dem Schulhof, es gibt keinen Sport, keinen Gesang und keinen Kunstunterricht. Dafür aber immer wieder der ängstliche Blick auf den Abstand zwischen den Tischen. So macht Unterrichten keinen Spaß.

Eine andere Freundin betreut Erstklässler, die manchmal in Tränen ausbrechen und von ihrer Lehrerin getröstet werden müssen. Gerade jetzt, wo sie die Lerninhalte des ersten Schuljahres schon fast wieder vergessen haben, wäre eine intensive Betreuung extrem wichtig. Doch auf Abstand, durch einen Mundschutz und nur an wenigen Tagen Präsenzunterricht bis zu den Sommerferien, gelingt das nicht. Das macht sie traurig und bricht ihr manchmal das Herz. Dann vergisst sie Corona und tröstet trotzdem mit einer liebevollen Umarmung. Verboten, aber manchmal einfach nicht anders mit seinem eigenen Mitgefühl zu vereinbaren. Wenn sie könnte, würde sie jetzt ein Sabbatjahr nehmen. Aber sie kann nicht.

Lehrerin
Wann ist wieder richtig Schule?

Das leisten gute Lehrkräfte jetzt

Manche Eltern sind sauer, weil ihre Kinder nicht ordentlich beschult werden. Arbeitgeber klagen, weil ihre Mitarbeiter sich um die eigenen Kinder kümmern müssen. Kinder sind motzig, weil ihnen das Homeschooling auf die Nerven geht. Natürlich haben alle recht, aber auch das Lehrerinnen und Lehrer Leben ist zurzeit kein Zuckerschlecken. Neben der Angst vor Ansteckung sind viele jetzt auch einfach ausgelaugt, überanstrengt und erschöpft.

1. Blöde Mehrfachbelastung

Die meisten von ihnen müssen mit einer Dreifachbelastung umgehen. Sie sollen ihren normalen Präsenzunterricht für einen Teil der Kinder vorbereiten und durchführen, gleichzeitig den Rest ihrer Klassen per E-Learning schulen und sich zuhause um die eigenen Kinder kümmern. Natürlich gibt es auch noch weitere Probleme, beispielsweise Risikogruppen in der Verwandtschaft. Die größere Last wird auf weniger Schultern verteilt, denn viele Lehrkräfte fehlen, sind selber Risikogruppe.

2. Alleingelassen mit dem E-Learning

Die Situation ist für Lehrkräfte vollkommen neu und sie bekommen weder von den Behörden noch von der Schulleitung ausreichend Unterstützung, um sie zu meistern. Die fehlende Digitalisierung ist dabei nur ein Punkt. Mit den zahlreichen technischen Fragen rund um die Corona Krise werden sie alleine gelassen.

  • Welche digitalen Geräte stehen mir und meinen Schülerinnen und Schülern zur Verfügung?
  • Welches Video-Chat Programm darf ich benutzen? Mit welchen verletze ich den Datenschutz?
  • Wer schult mich oder Schülerinnen und Schüler darin?
  • Wie halte ich den Kontakt zu den Eltern?
  • Wie gehe ich mit Schülerinnen und Schülern meiner Klasse um, die ich per E-Mail gar nicht erreichen kann?
  • Was, wenn meine Schülerinnen und Schüler keinen Zugang zu einem PC, Laptop oder Drucker haben?

3. Präsenzunterricht fühlt sich wie Überlebenstraining an

Ein Teil der Schüler kommt bis zu den Sommerferien tageweise in den Unterricht, in kleinen Gruppen oder soagr einzeln. Ein Klassengefüge entsteht so natürlich nicht, was kann man tun? Die älteren können mit den derzeit geltenden Hygieneregeln zumindest in der Schule recht gut umgehen. Sobald sie das Schulgelände verlassen haben, sieht das ganz anders aus. Aber was ist mit den Grundschülern?

  • Wie ist das mit dem Mundschutz im Unterricht?
  • Muss ein ausgeliehener Radierer desinfiziert werden?
  • Kann ich ein Kind alleine auf die Toilette lassen oder muss ich es dabei kontrollieren?
  • Dürfen wir im Unterricht singen?
  • Wie feiern wir jetzt den Geburtstag eines Schülers oder eine Schülerin?
  • Wie erkläre ich die Abstandsregelung und wie die Einhaltung (siehe Idee unten)?
Tolle Ideen: Abstandshalter von V. Knott und J. Gla

4. Fehlende Wertschätzung

Darüber hinaus ist es auch sehr belastend, die Unzufriedenheit und wachsende Wut der Eltern auszuhalten. Solange Kinder keinen regelmäßigen Unterricht haben, ist deren Betreuung schwierig. Dieser Ärger staut sich auf und findet nicht selten seinen Ausdruck in einer wütenden E-Mail an die Lehrkräfte. Auch Elterngespräche wirken derzeit merkwürdig steif.

  • Elterngespräche finden statt, aber seltener.
  • Die große räumliche Distanz im Gespräch überträgt sich auf die Inhalte.
  • Neben Corona treten andere Inhalte in den Hintergrund.
  • Schwache Leistungen (von vor Corona) lassen in den meisten Bundesländern jetzt eine Klassenwiederholung nur im Ausnahmefall zu.
  • Die Unterstützung der Eltern beim Lernen mit ihren Kindern ist schwierig und individuell sehr unterschiedlich.
Fragen über Fragen und nur wenig Antworten

Für die meisten Fragen und Probleme gibt es keine allgemeingültigen Antworten. Je nach Bundesland oder Schule gelten unterschiedliche Regeln und Vorgaben. Kein Wunder, dass sich die meisten Lehrerinnen über die Situation ärgern. Darüber hinaus fragen sie sich natürlich auch, wie hoch die Gefahr ihres Berufes inzwischen einzuschätzen ist. Wird das Corona Virus nicht nur durch Schmierinfektionen, sondern auch durch Tröpfchen und Aerosole übertragen, wird ein Klassenzimmer schnell ein Hotspot. Und mittendrin die Lehrerin oder der Lehrer, die Tag für Tag zu einer großen Anzahl von Kindern und Jugendlichen Kontakt haben (müssen).

Ich finde, diese beängstigende Pandemie sollte dazu führen, sich mehr in andere hinzuversetzen, um gemeinsam am Problem zu arbeiten. Gegenseitiges Bashing bringt niemanden weiter.

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