Die Eltern von jüngeren Kindern sind seit März damit beschäftigt, den Alltag zu strukturieren und den Lernstoff aus der Schule zu vermitteln. Es gibt in den meisten Familien klare Unterrichtszeiten, in denen die Kinder Hausaufgaben erledigen, kleine Aufsätze schreiben oder Arbeitsblätter ausfüllen. Das gelingt in den meisten Familien ganz gut, weil Grundschüler sich leicht motivieren lassen. Bei Jugendlichen sieht das ganz anders aus, sie neigen immer mehr zum Rumgammeln.
Schul-Routine war einmal – jetzt ist Zocken, Handy, Netflix angesagt
Anfangs hatten auch die meisten Jugendlichen eine Tagesroutine, während dessen sie Aufgaben für die Schule erledigt haben oder Kontakt mit ihren Klassenkameraden hielten. Doch es ist extrem schwierig, die Motivation zum Lernen aufrechtzuerhalten, wenn man in der Pubertät ist. Jugendliche lassen sich von den Eltern nicht mehr einfach kontrollieren oder in vorgegebene Strukturen einbinden. Sie machen sich ihre eigenen Gedanken, wollen etwas erleben und aufbegehren – oder eben rumgammeln. Der enge Rahmen, den die Schule dafür gibt, ist nun seit fast drei Monaten nicht mehr da. Das hat Konsequenzen.
Selbstdisziplin ist Mangelware – Rumgammeln ist Trumpf
Jugendliche sind sehr viel öfter alleine zu Hause, denn sie können natürlich wunderbar auf sich selber aufpassen. Meint man zumindest, aber ihre Lieblingsbeschäftigung ist oft Zocken, Handy, Netflix und rumgammeln. Es gehört schon sehr viel Selbstdisziplin dazu, sich stundenlang alleine an den Schreibtisch zu setzen und zu arbeiten, wenn die Wohnung oder das Haus leer ist und die Eltern auf der Arbeit sind. Außerdem ist der Anreiz, schnell zum Smartphone zugreifen, stärker denn je. Was selbst vielen Erwachsenen schwer fällt, ist für Jugendliche auch nicht einfach. Sich wochen- und monatelang immer wieder selber zu motivieren und zu disziplinieren gelingt nur den wenigsten.
Immer mehr Eltern geben auf und warten einfach ab
Es zermürbt, wenn man nicht nur das eigene Arbeitsverhalten ständig umstellen muss, sondern auch noch die Aufgaben der Schule übernehmen soll. Denn eines ist klar, Dank gibt es dafür nicht. Stattdessen ist die Stimmung in vielen Familien extrem angespannt, weil die vertraute Routine fehlt und eine Planung nicht möglich ist. Das Verhalten von Jugendlichen ist nachvollziehbar. Die meisten Eltern klagen darüber, dass
- die Kinder morgens nicht aus dem Bett kommen und teilweise bis mittags in den Federn rumgammeln,
- ihren Heranwachsenden die Motivation fehlt, sich intensiv und diszipliniert mit den Schulaufgaben auseinanderzusetzen,
- Bildschirmmedien (Zocken, Handy, Netflix) grenzenlos konsumiert werden und
- der Umgangston und das Miteinander nicht mehr harmonisch sind.
Was hilft gegen das Corona Rumgammeln?
Ganz sicher ist es vollkommen normal, wenn nicht alles so läuft wie früher. Kinder und Jugendliche befinden sich in einem Prozess und müssen viele regulative Fähigkeiten erst erlernen. Da hilft es in erster Linie, über das Thema immer wieder zu sprechen und die Probleme zu benennen. Lösungen müssen nicht immer sofort gefunden werden. Besonders wenn die Eltern tagsüber gar nicht zu Hause sind, sind die Möglichkeiten zur Lösung des Problems beschränkt. Und ein bisschen Zocken, Handy, Netflix als Belohnung ist ja auch vollkommen okay. Probieren sie es darüber hinaus doch mal damit.
1. Angebote für gemeinsame Unternehmungen
In der freien Zeit sollte die Familie immer wieder versuchen, gemeinsam etwas Schönes zu unternehmen. Ob der Jugendliche mitmacht oder nicht, sollte ihm selbst überlassen bleiben. Je attraktiver das Angebot ist, desto größer die Chance, dass er sich beim nächsten Mal anschließt. Letzlich ist das Rumgammeln Zuhause nämlich langweilig.
2. Rückhalt von den Lehrkräften
Auch wenn der Unterricht noch überhaupt nicht oder nur wenige Tage im Monat stattfindet, gibt es immer die Möglichkeit sich mit den Lehrkräften kurz zu schließen. Wenn ein Jugendlicher nicht genügend Hausaufgaben bekommt, mit denen er sich beschäftigen kann, kann das Selbststudium eigentlich nicht verlangt werden. Hier müssen die Aufgaben angepasst werden, sodass der Jugendliche zumindest vormittags genügend zu tun hat.
3. Hilfe einfordern
Jugendliche möchten gebraucht werden, auch wenn sie es nicht zeigen. Ganz sicher gibt es gerade jetzt jede Menge Aufgaben, die sie verantwortungsvoll übernehmen können. Bestimmen Sie aber nicht einfach, welche Aufgaben Ihr Kind aufgetragen bekommt. Machen Sie eine Liste aller Arbeiten und entscheiden Sie dann gemeinsam im Familienteam, wer was übernimmt. Nutzen Sie die Gelegenheit, Ihr Kind etwas selbstständiger werden zu lassen.
4. Wenige, klare Regeln
Zwei oder drei klare Regeln sollten für die ganze Familie gelten. Damit alle gut schlafen können, muss es einen Zeitpunkt geben, an dem Ruhe herrscht. Hier kann es auch sinnvoll sein, dass Smartphone um 22:00 Uhr einzuziehen und erst am nächsten Morgen wieder herauszugeben. Eine weitere Regel könnte die tägliche gemeinsame Mahlzeit sein oder eben das Erledigen der aufgetragenen Aufgaben. Kommunizieren Sie auch klar was passiert, wenn die Regeln nicht eingehalten werden. Hier sind logische Konsequenzen sinnvoll.
Gesamtsituation nicht aus dem Blick verlieren
Ja, es ist schwierig und alle müssen zurückstecken. Aber es gibt auch Personen, die ihr Leben lassen wegen dieses Virus oder lebenslang eingeschränkt bleiben. Die ganzen Einschränkungen und Entbehrungen haben einen Sinn und den sollten Sie mit Ihren Kindern und Jugendlichen auch immer mal wieder besprechen. Loben Sie alle Mitglieder ihrer Familie (auch sich selbst) regelmäßig, denn es ist keine Selbstverständlichkeit die derzeitige Situation mitzutragen.
Eine Zukunftsvision entwickeln
Irgendwann, in absehbarer Zeit, wird es einen Impfstoff oder ein Medikament geben und wir nehmen unser vertrautes Leben weitestgehend wieder auf. Dann können auch wieder Wünsche in Erfüllung gehen, die im Moment nicht zu verwirklichen sind. Stellen Sie sich diese Wünsche vor und schreiben Sie sie auf, und zwar für jedes Familienmitglied. So haben Sie immer vor Augen, wofür sie diese schwierige Zeit alle gemeinsam durchhalten.