Hat ein Kind sein fünftes Lebensjahr vollendet, beginnen viele Eltern damit, sich Gedanken über den nächsten Lebensabschnitt nach der Kindergartenzeit, die Grundschule, zu machen. Schafft mein Kind die Anforderungen? Wird es FreundInnen finden? Kann es bereits regelmäßig so früh aufstehen? Wird es den Schulweg bewältigen? Erfüllt es die Anforderungen an die Schulreife? Alles wichtige Fragen, die geklärt werden müssen. Neben der persönlichen Einschätzung der Eltern gilt es auch noch, einige rechtliche Bedingungen zu beachten.
Der optimale Zeitpunkt der Schulreife
Seit 1948 bemüht sich die ständige Konferenz der Kultusminister und Kultursenatoren der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK), das Bildungswesen der einzelnen Bundesländer aufeinander abzustimmen. Damit soll gewährleistet werden, dass alle Schülerinnen und Schüler in Deutschland eine vergleichbare Schulbildung erhalten. Lange Zeit hatte die KMK empfohlen, dass alle Kinder, die bis zum 30. Juni eines Jahres das sechste Lebensjahr vollendet hatten, automatisch schulpflichtig wurden. Heute ist die Einschulungspraxis etwas komplizierter, aber auch flexibler geworden.
Einige Bundesländer haben in den letzten Jahren den Stichtag zur Einschulung mehrfach nach hinten verschoben, sodass immer häufiger schon Fünfjährige mit der entsprechenden Schulreife eingeschult werden. Es ist die Aufgabe der Eltern, die gültigen Termine zu berücksichtigen und ihr Kind rechtzeitig zur Schule anzumelden.
Informiere dich rechtzeitig
Nicht nur der Stichtag zur Einschulung, sondern auch die Bildungskonzepte befinden sich im Wandel. Eltern sind daher gut beraten, sich stets aktuell über die neuesten Entwicklungen zu informieren. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten.
- Halte engen Kontakt zum Kindergarten deines Kindes, denn die ErzieherInnen sind gut darüber informiert, welche Möglichkeiten der Einschulung es gibt.
- Informiere dich direkt beim Staatlichen Schulamt, das für dich zuständig ist. Rufe persönlich an oder vereinbare einen Termin.
- Besuche die Informationsveranstaltungen der Grundschule, bei der dein Kind angemeldet werden soll.
- Beachte die Informationen auf den Internetseiten des Kultusministeriums deines Bundeslandes. Du findest die entsprechenden Adressen unter: www.bildungsserver.de.
Schule ist ein neuer Lebensabschnitt
Mit der Schulreife und der Einschulung beginnt auch für dich als Elternteil ein neuer Lebensabschnitt, der von verschiedenen Pflichten bestimmt wird. Da in Deutschland die allgemeine Schulpflicht gilt, kannst du dein Kind nicht einfach zu Hause behalten. Alle Eltern sind dazu verpflichtet, ihr Kind zum Schulbesuch anzumelden. Andernfalls machen sie sich strafbar. Die Verfassungen der einzelnen Bundesländer, in denen die Schulpflicht geregelt ist, legen dir eine Reihe von Verpflichtungen auf. Du musst:
- dein Kind fristgerecht zum Schulbesuch anmelden.
- für einen regelmäßigen und pünktlichen Schulbesuch sorgen.
- dafür sorgen, dass dein Kind ordentlich gekleidet und sauber zur Schule geht.
- dein Kind mit den erforderlichen Schulmaterialien ausstatten.
- dein Kind dazu anhalten, seine schulischen Aufgaben zu erledigen.
- schriftlich beantragen, wenn dein Kind vom Schulbesuch freigestellt werden soll.
- dein Kind krankmelden, wenn es nicht in die Schule gehen kann.
Darüber hinaus wird von dir erwartet, dass du regelmäßig Gespräche mit den LehrerInnen führst, an Schulveranstaltungen teilnimmst und die Elternabende besuchst.
Schulreife: Die U9 bringt Klarheit
Wichtige Hinweise über die sogenannte Schulfähigkeit deines Kindes geben die Untersuchungsergebnisse der U 9, die dein Kinderarzt zwischen dem 60. und dem 64. Lebensmonat durchführt. In einigen Bundesländern sind die empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen verpflichtend. Falls Eltern ihr Kind nach einer Aufforderung nicht zum Kinderarzt bringen, wird das Jugendamt eingeschaltet. Mit dieser Maßnahme soll Kindesvernachlässigung und -misshandlung vorgebeugt werden. Ein neues Kinderschutzgesetz soll die Vorsorgeuntersuchung für Kinder bundesweit verpflichtend machen.
Schulreife wird auch beim Arzt kontrolliert
Dein Kinderarzt überprüft in erster Linie die körperliche Entwicklung und schließt physische Krankheiten oder Störungen aus. Natürlich ist dein Kind seit der letzten Untersuchung wieder etwas gewachsen. Wenn auch längst nicht mehr so viel wie vorher. Auch an Gewicht hat es zugelegt und eventuell ist sogar schon der erste Milchzahn ausgefallen. Ob das Wachstum und die gesamte Entwicklung deines Kindes im Normbereich liegen, stellt der Kinderarzt oder die Kinderärztin anhand vieler Vergleichsdaten fest.
Eine Urinprobe, die Messung des Blutdruckes und Impfauffrischungen sind Teil der wichtigen Untersuchung, die du nicht verpassen solltest. Der / die Kinderarzt/ärztin überprüft auch die motorische, kognitive und soziale Entwicklung deines Kindes. Bei der umfassenden klinischen Untersuchung, auch „körperliche“ oder „Ganzkörperuntersuchung mit einfachen Hilfsmitteln“ genannt, sollten verschiedene Seh- und Hörtests durchgeführt werden, um sicherzugehen, dass hier keine Beeinträchtigungen vorliegen. Dabei sind deine Beobachtungen als Eltern besonders wichtig. Sie helfen dem Kinderarzt dabei, dein Kind richtig einzuschätzen. Einen ersten Eindruck vom Entwicklungsstand deines Kindes erhältst du, wenn du für dich die folgenden Fragen beantwortest. Notiere Auffälligkeiten und sprich diese bei der Vorsorgeuntersuchung an.
Fragen zur Schulreife
- Kneift dein Kind beim Betrachten von Bildern oder beim Malen oft die Augen zusammen?
- Hält es ein Bilderbuch sehr nah ans Gesicht, um die Bilder besser zu erkennen?
- Lehnt es das Betrachten von Bilderbüchern oder das Vorlesen ab?
- Erkennt und benennt es Details in Bildern?
- Hat dein Kind beim Vorlesen manchmal Schwierigkeiten, alles akustisch zu verstehen?
- Fragt dein Kind häufig nach, wenn du ihm etwas mitteilst?
- Lässt die Konzentration deines Kindes schnell nach, wenn es etwas ansieht oder anhört?
So förderst du die Schulreife spielerisch
Damit der Start in die Schule gut gelingt, benötigt dein Kind eine Reihe von Kompetenzen und Fähigkeiten. Die meisten davon hat es ganz selbstverständlich im Laufe seiner Kindheit bereits entwickelt und im Kindergarten oder zuhause weiter ausgebaut. Dein Kind kann laufen, hüpfen und rennen, es nimmt Kontakt zu anderen auf, kann sich unterhalten oder seine Wünsche und Vorstellungen äußern. Manche dieser Fähigkeiten sind jedoch besser ausgeprägt als andere. Das ist nicht schlimm. Es kann aber auch nicht schaden, wenn du in den letzten Monaten vor der Einschulung dein Kind mit Spielen und anderen Aktivitäten dazu anregst, seine Fähigkeiten weiter auszubauen.
Checkliste „Grenzsteine“
Bei den folgenden „Grenzsteinen“ handelt es sich um Entwicklungsschritte, die ca. 90 Prozent der Fünfjährigen bereits erreicht haben. Es geht dabei sowohl um körperliche als auch um kognitive Fähigkeiten. Nutze die Checkliste, um die einzelnen Punkte systematisch abzuklären. Natürlich kann und darfst du in Vorbereitung auf den Schulbesuch oder den U9-Termin mit deinem Kind auch üben, denn das kommt seiner Entwicklung entgegen. Je mehr dieser Fähigkeiten es beherrscht, desto besser.
(R. Michaelis / G. Niemann: Entwicklungsneurologie und Neuropädiatrie. Grundlagen und diagnostische Strategien, Thieme Verlag, Stuttgart 2010.)
Was kann dein Kind?
Kann dein Kind das schon? | Ja | Nein |
Dein Kind steht jeweils ca. 8 Sekunden sicher auf einem Bein. | ||
Dein Kind kann jeweils fünf mal auf einem Bein hüpfen, ohne umzufallen. | ||
Dein Kind bewältigt Treppen freihändig und mit Beinwechsel. | ||
Dein Kind kann sowohl auf den Zehenspitzen als auch auf den Hacken vorwärts gehen. | ||
Dein Kind kann einen Ball, der auf dem Boden aufprallt, mit beiden Händen fangen. | ||
Dein Kind kann ein Quadrat, ein Dreieck und ein Kreuz von einer Vorlage abmalen. | ||
Dein Kind erkennt die Grundfarben (Blau, Grün, Rot, Gelb, Schwarz, Weiß). | ||
Dein Kind malt einen Menschen mit sechs Teilen (Kopf, Körper, zwei Beine, zwei Arme). | ||
Dein Kind kann geometrische Formen in einer vorgefertigten Box richtig zuordnen. | ||
Dein Kind kann Materialien sicher unterscheiden (Stoff, Papier, Glas). | ||
Es kann einen Vorgang in logischer Reihenfolge wiedergeben. | ||
Dein Kind hat einen Mengenbegriff bis 5. Es kann beispielsweise erkennen, dass 2 weniger als 5 sind. | ||
Dein Kind schreibt oder malt seinen Vornamen sowie einzelne Ziffern oder Buchstaben. Oft sind diese noch seitenverkehrt. | ||
Dein Kind weiß, wie viele Finger an einer Hand sind. | ||
Dein Kind kann etwas zu seiner Situation im Kindergarten oder in der Familie sagen. | ||
Dein Kind berichtet Erlebnisse aus seiner Erinnerung. |
10 einfache und effektive Spiele für die Sinne
Hören
- Sammele kleine Döschen (Überraschungseier) und füllen jeweils zwei davon mit dem gleichem „rasselndem“ Inhalt. Als Füllmaterial eignen sich Reiskörner, Sand, Perlen, Streichhölzer oder Nüsse. Dein Kind schüttelt die verschlossenen Döschen und versucht, am Rasselgeräusch zu erkennen, welche zwei gleich gefüllt sind.
- Verstecke in der Wohnung einen Wecker, dessen Ticken ganz leise zu hören ist. Findet dein Kind den Wecker alleine durch genaues Hinhören?
Schmecken
- Lass dein Kind ganz unterschiedlicher Lebensmittel mit verbundenen Augen kosten. Kann es erraten, was sich gerade in seinem Mund befindet?
- Erweitere das Spiel, indem dein Kind die Lebensmittel verschiedenen Geschmacksrichtungen zuordnet: süß, sauer, bitter, salzig und scharf.
Sehen
- Verbinde deinem Kind die Augen. Kann es bekannte Gegenstände aus dem Gedächtnis beschreiben? Welche Bilder hängen im Kinderzimmer an der Wand, was steht auf der Fensterbank im Wohnzimmer?
- Beschreibe eine Person. Kann dein Kind sie identifizieren?
Riechen
- Lass dein Kind an Obst, Gemüse oder Kräutern mit verbundenen Augen riechen. Kann es einige Sorten erkennen? Achtung, manche Früchte können erst durch Kleinschneiden oder Reiben ihr Aroma entfalten.
- Gib einen Tropfen Duftöl auf einen Wattebausch in einem Döschen. „Verstecke“ dieses duftende Ziel in einem Raum. Mal sehen, ob dein Kind das Döschen mit seiner Spürnase findet.
Gleichgewicht und Bewegung
- Gehe mit deinem Kind spazieren – aber nicht mit langweiligen, immer gleichen Schritten. Übe mit ihm Schleichen, Rennen, Tanzen, Hüpfen, Seitgalopp, Zehenspitzenlauf. Am besten natürlich nicht auf schmalen Gehwegen sondern im Park oder im Wald.
- Roller, Laufrad, Fahrrad, Inliner, Waveboards – es gibt viele Gerätschaften, die den Gleichgewichtssinn trainieren. Ein Besuch im Hochseilgarten fordert alle Sinne heraus, und gibt zudem eine Menge Selbstbewusstsein.
So förderst du das Selbstbewusstsein deines Kindes
Die Anforderungen an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen deines Kindes sind in der Schule deutlich höher als im Kindergarten. Da ist Schulreife gefordert. Neben der täglichen Auseinandersetzung mit anderen Kindern kommt in der Schule der Leistungsanspruch hinzu. Das bedeutet, dass dein Kind verstärkt lernen muss, auch mit Misserfolgen umzugehen. Je stärker sein Selbstbewusstsein ist, desto besser wird ihm das gelingen. Nutze also jede Gelegenheit, dein Kind stark zu machen.
Je mehr Erfolgserlebnisse dein Kind erlebt, desto stärker wird es an sich und sein Können glauben. Es ist daher für das Selbstbewusstsein ganz wichtig, dass du deinem Kind nicht alles abnimmst, sondern es eigene Erfahrungen machen lässt.
Schulreife heißt auch Loslassen können
Eltern können ihrem Kind nicht in jeder Situation zur Seite stehen, das wäre auf Dauer auch gar nicht gut. Spätestens in der Schule müssen die Erstklässler ein paar Stunden alleine zurechtkommen. Wenn sie sich dann ängstlich oder alleingelassen fühlen, können kleine Ritualgegenstände helfen. Wie wäre es denn mit einem besonders schönen Stein, der beruhigend in der Hosentasche liegt und an den letzten Sonntagsspaziergang erinnert? Schon früh kann dein Kind lernen, sich mit einem Gegenstand zu trösten oder zu beruhigen, bis es seine Eltern wieder in die Arme schließen kann.
Klare Regeln sind hilfreich
So paradox es klingen mag: Setze als Eltern klare Regeln für den Familienalltag – auch das fördert das Selbstbewusstsein deines Kindes. Je genauer ein Kind weiß, was es darf und was nicht, desto besser kann es sich orientieren. Kinder sind verunsichert, wenn sie von den Erwachsenen widersprüchliche Botschaften empfangen, und sich an ständig wechselnde Regelungen halten sollen.