Was macht Corona mit der Sozialkompetenz? Keine Freunde zu treffen, keine Konflikte miteinander auszutragen, sich die ganze Zeit verständnisvoll und zurückhaltend zu verhalten und gleichzeitig den Bewegungsdrang nicht ausleben können – das alles wird und wurde in den letzten Wochen von unseren Kindern gefordert.
Das Miteinander wird langsam erlernt
Viele haben das grandios gemeistert, doch so langsam machen sich Experten Sorgen um die Sozialkompetenz. Jugendliche und junge Erwachsene haben ihr ganzes Leben lang Zeit gehabt, sich im Umgang mit anderen zu üben. Ihre Sozialkompetenz ist schon weit entwickelt und leidet nicht durch ein paar Wochen Abstinenz. Ganz anders sieht das aber bei Kindern aus. Im Kindergarten, aber ganz besonders in der Schule mit den vielfältigen Anforderungen, trainieren Sie den Umgang mit anderen. Diese Sozialkompetenz leidet jetzt.
Welche Aspekte gehören zur Sozialkompetenz von Kindern dazu?
- respektvoll, wertschätzen und empathisch sein (die Leistungen von anderen anerkennen, deren Sichtweise annehmen können)
- Konflikte und Streit lösungsorientiert betrachten (seine Emotionen kontrollieren zu können und die Sachebene zu sehen)
- Einstellungen und Ziele zu verhandeln (gute Argumente finden und andere überzeugen)
- lösungsorientiert zu sein (die eigenen Bedürfnisse und Interessen einer gemeinsamen Sache unterordnen)
Sozialkompetenz geht auch in der Familie
Diese Punkte sind momentan nur schwer umzusetzen. Natürlich können die Aspekte auch in der Familie eingeübt werden, doch nur im Umgang mit Fremden werden sie sinnvoll trainiert. Die Sozialkompetenz im kleinen Kreis der Familie ist der erste Schritt, bei dem Kinder ihr eigenes Verhalten überdenken. Trotzdem ist die Familie ja in der Regel extrem positiv, unterstützend und wertschätzen. Die Kritik ist also nur sehr soft.
Solange Gruppen fehlen, müssen sie virtuell ersetzt werden
Erst in der Gruppe mit anderen, hauptsächlich mit Gleichaltrigen, wird es wirklich ernst. Wenn ein anderes Kind die eigenen Leistungen kritisiert, macht das nachdenklich. Wenn eine Lehrerin oder ein Lehrer Verhalten auf den Prüfstand stellt, hat das ein anderes Gewicht, als wenn es die genervten Eltern tun. Das Lernen in der Gruppe ist also besonders für die Sozialkompetenz enorm wichtig. Hier haben alle Kinder und auch die Jugendlichen momentan ein großes Defizit.
Das fehlt jetzt
- Sie versäumen die Leistung von anderen anzuerkennen, deren Sichtweise zu hinterfragen und auch das eigene Verhalten kritisch zu betrachten.
- Sie versäumen ihre Emotionen gegenüber anderen kontrollieren zu können und nicht nur die Gefühle, sondern auch die Sachebene zu betrachten.
- Sie lernen momentan nicht, gute Argumente zu finden und andere damit zu überzeugen.
Der große Gewinn: Gemeinsam für eine Sache kämpfen
Allerdings lernen sie ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen einer gemeinsamen Sache unterzuordnen. Sie lernen auch, ihre Angst zu überwinden. Viele ihrer Wünsche, Bedürfnisse und Ziele liegen jetzt brach. Sie können keine Freunde treffen, keine Vereine besuchen, nicht schwimmen gehen, keinen Gruppensport treiben und müssen auf den Kontakt zu den Großeltern verzichten. Kinder verstehen schon sehr gut, warum das jetzt notwendig ist. Aber es muss auch einen weg aus der Krise geben.
Kinder werden jetzt schnell erwachsen
Viele Forderungen kommen auf Kinder und Jugendliche zu, die sie so noch gar nicht gekannt haben. Plötzlich müssen sie sich und andere vor einer Infektion schützen, die völlig neu ist. Sie gelten als Überträger von Viren, eine soziale Rolle, die nicht leicht ist. Der freiwillige Verzicht auf den Kontakt zu Freunden und Verwandten ist ja keine Strafe, sondern schützt andere. Kinder verstehen das und achten die Empfehlungen. Oft sogar stärker als Erwachsene.
Wie kann die Sozialkompetenz auch jetzt gestärkt werden?
Da der Kontakt zu anderen nur in der Familie möglich ist, wird die Sozialkompetenz über das Gespräch, also intellektuell, thematisiert.
- Sprechen Sie mit Ihrem Kind möglichst oft darüber, was gerade passiert.
- Nutzen Sie jede Möglichkeit des Kontaktes zur anderen, zum Beispiel über Video-Chats, Briefe oder E-Mails.
- Sprechen Sie über die Folgen der Corona-Krise, aber auch über die Ziele und den Ausblick in eine Zukunft.
- Legen Sie Steinschlangen, malen sie Regenbogenbilder und nehmen Sie Podcasts für andere auf.
Eltern und Geschwister sollten füreinander da sein
Jeder ist mal genervt von der Krise und hat seinen Lagerkoller. Das ist ganz normal und sollte den Kindern auch so vermittelt werden. Wenn einer traurig oder enttäuscht ist, können in die anderen aufmunternd. Auch das ist ein Aspekt der Sozialkompetenz. Sich empathisch in die Gefühlswelt eines anderen hinein zu versetzen und ihn bei seinen Sorgen zu unterstützen.
Machen Sie das Beste aus der Situation
Vielleicht ist das die einzige Situation im Leben Ihrer Kinder, die ihre Freiheitsrechte so dramatisch einschränkt. Jammern und schimpfen Sie nicht darüber, sondern zeigen sie immer wieder auf, warum dieses Verhalten so sinnvoll ist. Der soziale Aspekt ist dabei sehr wichtig. So wird die Sozialkompetenz auch in der Corona-Krise gestärkt.