Lesefähigkeit: Corona klaut ein halbes Schuljahr

Alle haben es schon vermutet, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und auch die Schülerinnen und Schüler – es steht schlecht um die Lesefähigkeit. Die Lesekompetenz hat während der letzten zwei Jahre unter den Grundschülern erheblich gelitten. Ganz besonders betroffen sind die Kinder, die während Corona eingeschult wurden und wenig Unterstützung von Zuhause bekommen haben. Ihnen fehlt bis zu einem halben Jahr Unterricht, der sich auf die Kernkompetenzen wie Lesen, Rechnen und Schreiben auswirkt.

Deutschland Ahoi: Wieder leiden die sozial Benachteiligten

Auch das ist keine Überraschung, Lernrückstände gibt es am häufigsten bei den Schülerinnen und Schülern, die sowieso schon einen schlechteren Start haben. Da wird es höchste Zeit, dass das spezielle Investitionsprogramm der Regierung Parteien Tempo zulegt. Mehr als 4000 Allgemein- und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler sollen davon profitieren.

Fehlt ein halbes Schuljahr?

Arme Viertklässler: oft doppelt und dreifach bestraft

Homeschooling, Unterrichtsausfall, Kontaktverbote und monatelanges Zuhause sitzen in oft beengten Verhältnissen hat einen Großteil der betroffenen Kinder nachhaltig geprägt. Im Klartext bedeutet das, sie hatten zwei wirklich schwierige Jahre und hängen nun auch noch den vorherigen Generationen massiv hinterher. Das bedeutet zunächst mal schlechtere Noten, mehr Leistungsdruck, weniger Spaß in der Schule und schlechtere Startchancen. Ist das gerecht?

Studie belegt miserable Lesefähigkeit

Bisher sind noch nicht alle Leistungsbereiche untersucht worden. Die aktuelle Studie eines Forschungsteams vom Institut für Schulentwicklungsforschung der TU Dortmund hat jetzt erste Daten zum Stand der Lesekompetenz vorgelegt. Die Auswertung zeigt, dass Viertklässler in Deutschland in ihrer Lesekompetenz erheblich zurückgefallen sind. 4300 Grundschülerinnen und Grundschüler wurden 2021 getestet. Das Ergebnis zeigt, die Daten sind alarmierend und die Kinder benötigen dringend Unterstützung, um ihre Defizite aufholen zu können.

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Was heißt das in der Praxis?

Befragte Lehrerinnen und Lehrer einer zweiten Klasse vergleichen die Leistungen ihrer derzeitigen Schüler zur Lesefähigkeit mit denen vorheriger Jahrgänge. Sind die Kinder nach anderthalb Schuljahren momentan gerade mal in der Lage Wörter und einfache Sätze zu lesen, so konnten die früheren Jahrgänge bereits kleine Texte lesen und verstehen. Klingt erst mal nicht so dramatisch, ist es aber. Die Lesekompetenz wirkt sich nämlich auf alle Schulfächer aus und auf die gesamte Schullaufbahn. Wenn die Kinder nicht flüssig, schnell und sinnentnehmend lesen können, bleiben viele Bildungsinhalte verborgen.

Auch die Guten sind weniger geworden

Anscheinend ist es auch sozial starken Familien nicht immer gelungen, die Doppelt- und Dreifachbelastung von Schule, Haushalt und Beruf unter einen Hut zu bringen. Selbst die Anzahl der starken Leserinnen und Leser ist in den letzten zwei Jahren gesunken. Verständlich, dass schlechte Lernbedingungen wie ein fehlender Schreibtisch, kein eigener Computer und kein Internetzugang die Leistungsdefizite noch stärker bestimmt haben. Ebenfalls stark betroffen die Kinder mit Migrationshintergrund, deren Eltern den Schulunterricht nicht ersetzen konnten.

Alarm! Alarm! Alarm!

Es ist absolut notwendig, dass alle Kinder die in der Grundschule geforderten Grundkompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen erlernen, allem voran die zur Lesefähigkeit. Dazu müssen Förderprogramme aufgelegt und ganze Klassen intensiv unterrichtet werden. Neue pädagogische Konzepte sind dafür ebenso notwendig wie engagierte Lehrerinnen und Lehrer oder sinnvolle Freizeitangebote. Eine Förderung darf bei den Grundschulen nicht aufhören, sondern muss auch die weiterführenden Schulen mit einbeziehen.