Je älter dein Kind wird, desto wichtiger wird seine mündliche Mitarbeit. In der Grundschule, der weiterführenden Schule und ganz besonders in der Oberstufe macht die mündliche Mitarbeit einen großen Anteil der Gesamtnote aus. Doch viele SchülerInnen haben Hemmungen, sich im Unterricht aktiv einzubringen. Bei manchen entwickelt sich sogar Schulangst daraus.
Notendesaster wegen schlechter mündlicher Mitarbeit?
Dein Kind hat sich von einem lebendigen und neugierigen Grundschulkind in einen schweigsamen Schüler verwandelt? Damit stehst du nicht alleine da. Vor und in der Pubertät werden sich junge Menschen ihrer selbst bewusst. Wenn ihnen die Meinung der anderen bisher noch ziemlich gleichgültig war, so wird nun die Außenwahrnehmung enorm wichtig. Das gilt natürlich auch und besonders in der Schule, wo SchülerInnen sich den ganzen Tag lang mit anderen vergleichen können. Jetzt möchte sich niemand mehr eine Blöße geben, aus der Reihe tanzen und ausgegrenzt werden.
Wer sich meldet, kann Fehler machen
In allen Situationen, wo dein Kind etwas von sich preisgeben soll, kann es tendenziell auch scheitern. Die Vorstellung, von der ganzen Klasse ausgelacht zu werden, von den LehrerInnen nicht ernst genommen zu werden oder möglicherweise gar nichts herauszubekommen vor Nervosität, ist für viele Jugendliche eine echte Horrorvorstellung.
Beispiel: Melli geht in die siebte Klasse und ist eine mittelmäßige Schülerin. In Deutsch geht es um Gedichte. Melli hat nun selber ein Gedicht verfasst, traut sich aber nicht, es der Klasse vorzutragen. Würde ihr das gelingen, hätte es äußerst positive Auswirkungen auf ihre mündliche Note. Doch Melli hat zu viel Angst, dass die anderen ihr Gedicht schlecht finden und sie auslachen
Mündliche Mitarbeit macht Angst?
Keine Frage, es geht hier um eine massive Bedrohung des eigenen Selbstwertes. Auch wenn mutige und selbstbewusste Schülerinnen und Schüler diese Angst nicht verstehen können, so ist sie doch für rund ein Viertel aller SchülerInnen äußerst real. Jugendlichen wie Melli wird es kaum gelingen, ihre Angst vor der mündlichen Mitarbeit mit dem Vortragen eines Gedichtes zu besiegen. Vielmehr muss sie daran arbeiten, Schritt für Schritt etwas selbstbewusster zu werden und gegen ihre Angst anzukämpfen. Das funktioniert beispielsweise mit den folgenden drei Tipps:
Diese 3 Tipps helfen deinem Kind, seine mündliche Mitarbeit zu verbessern
1. Einfach irgendetwas antworten – nicht schweigen
Wenn dein Kind überraschenderweise aufgerufen wird und die Frage nicht beantworten kann, sollte es auf keinen Fall schweigen. Vielleicht fällt ihm ja doch noch eine Antwort ein, wenn es ein wenig Zeit gewinnt. Dies kann es so erreichen, indem es die Frage des Lehrers e/ der Lehrerin erst einmal mit seinen eigenen Worten wiedergibt. Er kann den/die LehrerIn auch bitten, die Frage noch einmal zu wiederholen. Erst wenn ihm wirklich gar nichts dazu einfällt, sollte es sich entschuldigen und dies auch zugeben. Immerhin hat dann eine kleine Unterhaltung stattgefunden, die der Lehrkraft unbewusst das Gefühl vermittelt, die SchülerIn hätte zumindest irgendetwas gesagt.
2. Blickkontakt halten und aktiv zuhören
Für die Lehrerin oder den Lehrer wirkt es sehr positiv, wenn dein Kind aktiv zuhört. Das bedeutet, dass es den Blickkontakt hält, sich Notizen macht und ab und zu auch gezielt nachfragt. Zu einer Frage sind auch sehr schüchterne SchülerInnen leichter zu bewegen, als zu einer eigenen Meinungsäußerung. Aktiv zuhören und fragen ist ein Schritt in die richtige Richtung, mit der Zeit wird dein Kind bestimmt mutiger.
3. Etappenziele setzen
Schüchterne SchülerInnen leiden darunter, sich nicht am Unterrichtsgeschehen beteiligen zu können. Anstatt darauf zu hoffen, dass diese Blockade irgendwann von selbst verschwindet, können sie sich kleinschrittige Ziele setzen. Einmal pro Stunde melden und vielleicht die Hausaufgaben vorlesen oder eine Aufgabe für ein Projekt übernehmen, damit ist schon der erste Schritt zu mündlicher Mitarbeit gemacht.
Nimm dein Kind ernst
Fordere dein Kind immer wieder dazu auf, seine Meinung zu äußern. Diskutiere mit ihm, beleuchte Themen von allen Seiten und zeige ihm, dass du auf seine Meinung viel Wert legst. Erweitere dieses Vorgehen, indem du deinen Jugendlichen nicht nur im engsten Familienkreis, sondern auch bei Treffen mit Freunden und Verwandten zum Mitreden auffordern.
Je öfter dein Kind sich traut mitzureden, und je häufiger es merkt, dass seine Meinung zählt, desto mutiger wird es werden. Dieses Selbstvertrauen kann es nach und nach auch im Unterricht nutzen und sich häufiger melden. Mehr Tipps zur Verbesserung der mündlichen Mitarbeit findest du auch hier.
Achtung: Fordere auf keinen Fall zu viel von deinem Kind. Anfangs reicht es sicherlich aus, eine Frage mit ja oder nein zu beantworten. Mit der Zeit darfst du nachfragen, sodass dein Kind seine Meinung auch vor anderen begründen lernt. Bei sehr schüchternen Jugendlichen musst du wirklich geduldig sein und akzeptieren, dass sich Veränderungen nur ganz langsam einstellen.
Manche Kinder überwinden sich nie
Ja, es gibt auch SchülerInnen, die überwinden ihre Hemmschwelle in der Schule nie. Sie sind so schüchtern, dass ihnen jede mündliche Mitarbeit unglaublich schwer fällt. Das müssen LehrerInnen und Eltern akzeptieren, auch wenn es zu schlechteren Noten führt. Leider sind die mündlichen Leistungen schon in der Sekundarstufe 1 eine Teilnote der Gesamtbewertung, in der Oberstufe können sie sogar bis zu 50 % der Zeugnisnote ausmachen. Das ist blöd, aber leider nicht zu ändern. Verständnisvolle LehrerInnen drücken hier ein Auge zu.
Was gehört eigentlich alles zur mündlichen Mitarbeit?
Die mündliche Mitarbeit besteht nicht nur aus dem Melden im Unterricht, sondern gilt auch für vollständige Hausaufgaben, aktive schriftliche Auseinandersetzungen und die Vollständigkeit der Arbeitsmaterialien in jeder Stunde. Außerdem geht es nicht nur um die Einzelaktivität beim Melden, sondern auch um die Arbeit mit der Gruppe, beispielsweise bei Projekten.
LehrerInnen mögen es, wenn SchülerInnen Interesse zeigen
Wie die einzelnen Bereiche der mündlichen Mitarbeit gewichtet werden, liegt auch im Ermessen der jeweiligen Lehrkraft. Wer überhaupt keine Bereitschaft dazu zeigt, sich am Unterricht zu beteiligen, hat schlechte Karten. Wer allerdings überwiegend konzentriert, zielstrebig und selbstständig mitarbeitet und über solide Grundkenntnisse der Unterrichtsinhalte verfügt, befindet sich bei der mündlichen Mitarbeit schon im Mittelfeld.
Beispiel: Luke meldet sich niemals im Unterricht. Schon wenn er daran denkt, er könnte aufgerufen werden, wird er rot und bekommt Herzrasen. Er bringt dann einfach kein Wort heraus. Seine Eltern und seine LehrerInnen akzeptieren, dass Luke ein sehr schüchterner Junge ist. Sie lassen ihn weitgehend in Ruhe, sodass er sich nicht unter Druck gesetzt fühlt. Luke folgt dem Unterricht aufmerksam und hat in schriftlichen Arbeiten meistens gute Noten. Er hat keinen Leidensdruck, sodass die Eltern ihn nehmen, wie er ist. Eine psychologische Beratung lehnen sie ab.
Manche LehrerInnen zeigen Verständnis für schüchterne SchülerInnen
In Ausnahmefällen, wenn SchülerInnen unter fast schon krankhafter Schüchternheit leiden, sollte mit den LehrerInnen gemeinsam nach einer Lösung gesucht werden. Auf keinen Fall sollten diese die Schülerinnen und Schüler ständig dazu auffordern, doch mal „über deinen eigenen Schatten zu springen“. Damit wird das Problem nur verstärkt. Manche Jugendliche sollten besser in Ruhe gelassen werden, da sie sich sonst überhaupt nicht mehr auf den Schulstoff konzentrieren können und nur noch Angst davor haben, aufgerufen zu werden.
Fachleute können weiterhelfen
Wird der Leidensdruck zu groß, kannst du mit deinem Kind einen Termin beim Psychologen vereinbaren. Dieser wird dann mit ihm erarbeiten, wo das Problem liegt und welche Lösungsmöglichkeiten es gibt.