Eine aktuelle Untersuchung der DAK (2020 veröffentlicht) zeigt, dass ein Viertel aller Jugendlichen im Jahr 2017 psychisch krank ist. Damit hat sich die Zahl der Betroffenen in nur 15 Jahren mehr als verdoppelt. Dabei handelt es sich in erster Linie um Angststörungen wie Schulangst und Prüfungsangst, oder um Depressionen. In der Regel kommt so eine Störung nicht von heute auf morgen, sondern baut sich langsam auf. Bei vielen Schülerinnen und Schülern ist Angst ein Thema. Warum ist das so und was können Eltern dagegen tun?
„Tim geht es doch fantastisch!“
„Schulangst?“ Er besucht eine gute Schule, es mangelt ihm an keinem materiellen Gut und seine beruflichen Zukunftsaussichten sind mit ein wenig Anstrengung besser als die der meisten anderen Kinder auf der Welt. Wovor hat der Junge denn Angst?“
Dieser etwas provokante Ausspruch eines genervten Vaters täuscht nicht darüber hinweg, dass circa 25% der Kinder und Jugendlichen im 21. Jahrhundert an unterschiedlichen, oft unerkannten, Angststörungen wie Schulangst oder Prüfungsangst leiden. Es gibt einfach häufige Probleme, die viele Schülerinnen und Schüler betreffen.
Trotz materiellem Wohlstande und positiven Zukunftsaussichten fordert unsere Leistungsgesellschaft durch ihre ungeschriebenen Gesetze ihre Opfer. Wer nicht klug, schön, reich, jung und beliebt ist, bewegt sich am Rande einer gesellschaftlichen Klippe. Und diese Klippe wird schon in der Grundschule mit dem Erteilen der ersten Noten getestet. Das kann leicht zu einer Schulangst führen.
Häufige Ängste von Kindern und Jugendlichen
- Angst vor der Schule, Schulangst
- Angst vor Klassenarbeiten, Prüfungsangst
- Angst vor Mitschülerinnen und Mitschülern
- Angst vor Mobbing, Cybermobbing
- Angst vor Eltern
- Angst vor Gewalt
- Angst vor dem Versagen
- undefinierbare Angst
Tränenausbrüche bei Drittklässlern, weil die 3 im Diktat den späteren Besuch des Gymnasiums verhindern könnte, sind kein Einzelfall, sondern an der Tagesordnung. Schnell wird daraus eine Schulangst, denn spätestens ab der 5. Klasse sind sich die Schüler ihrer gesellschaftlichen Stellung im Bildungsgefüge deutlich bewusst. Ob hier die Eltern, die Lehrer oder die Kinder selber an der Leistungsschraube drehen, mag dahingestellt sein. Deutlich wird jedoch, wie entscheidend Noten und die damit verbundene Beurteilung ihrer Persönlichkeit auf das seelische Wohlbefinden der Kinder wirken.
Der Druck ist hoch – die Schulangst auch
Eltern wissen in der Regel sehr genau um die existentielle Bedeutung eines guten Schulabschlusses und manche geben den Druck unbewusst an ihre Kinder weiter. Eine Folge von gesellschaftlichem Druck, sozialer Idealvorstellungen und familiärer Zukunftsplanung kann Schulangst oder Prüfungsangst sein.
Damit sich solche ersten Anzeichen und Ängste nicht zu einer richtigen Störung auswachsen, können Eltern im Vorfeld einiges unternehmen. Die besten Tipps gegen Ängste habe ich hier für Sie gesammelt. Viele Tipps stammen direkt von betroffenen Eltern, die damit gute Erfahrungen gemacht haben.
Bessere Noten – weniger Angst!
Methoden gegen die Schulangst
Selbstverständlich gehört eine manifestierte Angststörung oder eine psychische Erkrankung in die Hände von Experten. Sollten Sie das Gefühl haben, Ihrem Kind nicht helfen zu können, müssen Sie externe Hilfe in Anspruch nehmen.
- Realitätsscheck: Diffuse Ängste wie die Schulangst müssen genau angesehen werden. Was ist es, was die Angst auslöst? Generell ist „Angst vor einer Klausur“ nicht genau genug. Ist es die Angst vor dem Versagen vor sich selbst, vor anderen, vor den Lehrern, den Eltern, dem Blackout.
- Mutmachsätze: Sich selber Mut zusprechen kann gut helfen, wenn es eingeübt und automatisiert wird. Ich kann das, ich bin gut vorbereitet, ich gebe mein Bestes, ich kann besser werden.
- Intensive Vorbereitung: Je besser ein Kind oder Jugendlicher auf eine Arbeit vorbereitet ist, desto eher kann es sein Wissen auch abrufen. Gute Ergebnisse verringern die Angst bei der nächsten Arbeit.
- Hilfe zur Selbsthilfe: Mit dem Kind herausbekommen, was es tun kann, um sich besser zu fühlen. Atemübungen, einen Witz erzählen, sich auspowern, den Glücksstein streicheln… wie einen Notfallplan.
- Glückstagebuch: Jeden Abend notieren, was gut gelaufen ist. Ab und zu im Glückstagebuch stöbern und so langsam verstehen, dass es viele gute Dinge im eigenen Leben gibt. Die Angst wird weniger.
- Druck heraus nehmen: Steht Ihr Kind unter Erfolgs- oder Leistungsdruck? Misst es seine Leistungen mit denen der Geschwister oder Freunde? Setzten sie gemeinsam die Latte tiefer. Es muss keine 2 sein, es darf auch eine 4 sein.
- Rollenspiele: Angst vor mündlicher Mitarbeit, der Klassenarbeit oder Referat kann ausgetrickst werden, wenn Ihr Kind die Situationen regelmäßig im Rollenspiel einübt. Dabei an mögliche Probleme denken und dafür Lösungen entwickeln.
- Homöopathie: Globuli oder Tropfen können helfen, wenn Ihr Kind daran glaubt.
- Bachblüten: Rescue-Tropfen können helfen, wenn Ihr Kind daran glaubt. .
- Powerposen: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass bestimmte Körperhaltungen das Selbstwertgefühl stärken. Üben Sie zwei oder drei der Posen mit Ihrem Kind und lassen Sie es diese gegen die Angst einsetzen.
- Glücksbringer: Ein Streichelstein, eine besondere Münze, der Lieblingsstift oder ein kleiner Anhänger können Ihrem Kind gegen seine Angst helfen.
- Vorbilder und Helden: Jungen und Mädchen orientieren sich gerne an Vorbildern. Das können reale Menschen aus dem familiären Umfeld sein, aber auch Fantasiegestalten aus Filmen, Computerspielen und Büchern. Pippi Langstrumpf, Merida, Bibi Blocksberg oder die kleine Hexe. Bei allen Mädchen-Heldinnen handelt es sich um Vorbilder, die trotz ihrer Schwächen und Fehler erfolgreich sind. Sie trauen sich was!
- Coach oder Unterstützer: Ein Coach vertritt die Interessen des Kindes, stärkt und unterstützt es.
- Kleine Schritte zum Erfolg: es sind die kleinen Erfolge, die wirksam gegen die Angst sind. Einmal am Tag melden (nicht jede Stunde), einmal in der Woche die Hausaufgaben vorlesen, weniger Fehler als beim letzten Mal machen (nicht alles richtig haben).
- Brainkinetik: Bewegungstraining für das Gehirn.
- Gespräche: Reden Sie mit Ihrem Kind über seine Ängste. Nehmen Sie diese unbedingt Ernst, aber steigern Sie sie nicht. „Ich verstehe, dass du Angst vor einer 5 hast. Ist aber kein Weltuntergang, lass uns doch mal überlegene, wie du eine 4 hinbekommen kannst.“
- autogenes Training: Wer länger autogenes Training einübt, kann die entspannende Wirkung auch bei einer Prüfung abrufen, zum Beispiel mit Atemübungen.
- Sport: Große Aufregung, ein Blackout oder Zittern lässt sich durch Sport stark verringern. Einfach direkt vor der Prüfung die Schultreppe ein paar Mal rauf und runter laufen, zur Schule radeln oder auf dem Schulhof Ball spielen.
- Psychologin /Psychologe: Fachleute kommen zum Zug, wenn die Angst nicht weniger wird oder länger anhält. Ansprechstellen sind die Erziehungsberatungsstellen oder örtliche Psychologen, eventuell die Kinderärzte.
- Lernen in kleinen Häppchen: Den Prüfungsstoff in kleine Häppchen zerschneiden (richtig zerschneiden) und diese dann nach und nach lernen. Das Kind bekommt nur einzelne Stücke zum Lernen, am Ende wird dann alles zusammen gefügt.
- EFT: Das ist die Bezeichnung eines therapeutischen Konzeptes aus dem Bereich der „energetischen Psychologie“ und stellt eine Methode zur Linderung und Behandlung von Stress und psychischen Störungen durch Stimulation von Akupressurpunkten dar.
- Wing Wave: Diese Methode soll schnell in wenigen Sitzungen zum Abbau von Leistungsstress und zur Steigerung von Kreativität, Mentalfitness und Konfliktstabilität führen.
Wingwave ist eine Technik der Coaching- und Therapiebranche, die sich auf die Verbindung von Bewegung und Sprache konzentriert. Es basiert auf den Konzepten der Neurolinguistischen Programmierung und kann helfen, Stress, Angstzustände und andere emotionale Probleme zu lösen. Es kombiniert Affirmationen, Entspannungsübungen und spezielle Bewegungen, um das Unterbewusstsein zu erreichen und Veränderungen zu fördern.
Update Corona: Was macht das mit der Schulangst?
Es ist natürlich ein riesiges Problem, dass bei vielen Kindern gar nicht mehr auffällt, ob sie unter Schulangst leiden oder nicht. Das Homeschooling hat möglicherweise dazu geführt, dass die Angst nach der Öffnung der Schulen größer geworden ist.
Aufschluss darüber könnten Gespräche mit den Eltern geben, die sind aus Zeitgründen oft gar nicht möglich. Schließlich sind Lehrer*innen oft total überfordert. Sie müssen sehr individuell Unterricht vorbereiten und die einzelnen Schüler betreuen. Ohne den direkten persönlichen Kontakt während des Lockdowns konnte es schnell passieren, dass Probleme überhaupt nicht erkannt wurden. Je länger der Lockdown andauerte, desto größer war die Gefahr, dass sich verdeckte Schulangst entwickelt hat. Hier helfen nur Gespräche mit Kindern und ihren Eltern.
Weit verbreitet – die Prüfungsangst
Gar keine Prüfungen mehr, keine Klassenarbeiten, Referate oder Leistungsüberprüfungen… das wäre schön. Aber ohne Diktate, Nacherzählungen, Bildergeschichten, Referate, Inhaltsangaben, Grammatikarbeiten, Hausaufgabenüberprüfung, Aufführungen, Buchvorstellungen und Tests sind unsere Bildungsanstalten kaum vorstellbar. Ob Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gesamtschule, Gymnasium oder Berufsschule – Leistungskontrollen durch Prüfungen sind überall mehr oder weniger Standard.
Manche Schüler nehmen es mit Gelassenheit, andere leiden bei jeder Prüfung unter starker Anspannung. Sie entwickeln große Angst, schneiden schlecht ab oder sind mitunter vor lauter Stress gar nicht in der Lage, die Prüfung zu beenden.
Kinder und Jugendliche leiden immer öfter unter starker Prüfungsangst. Sie können bei Leistungsabfragen aller Art nicht das erbringen, was eigentlich in ihnen steckt. Trotz intensivem Lernen, langer Vorbereitung und bestem Willen können sie in der Prüfungssituation ihr Wissen nicht nutzen. Der befürchtete Blackout, die Watte im Kopf und die geistige „Lähmung“ machen die Hoffnungen auf gute Noten kaputt.