Werden unsere Kinder ohne Schreibschrift doofer?

Ganz ehrlich, wie oft verfassen Sie Texte noch mit der Hand? Wenn ich so auf meinem Schreibtisch herumschaue, sehe ich kurze Notizen, aber keine längeren Texte. Vermutlich würde ich schon nach kurzer Zeit aufgegeben, weil ich die Schreibschrift verlernt habe. Jetzt mache ich mir Gedanken darüber, ob meine Kinder diese Fähigkeit in der Schule wirklich erlernen müssen. Brauchen werden sie sie vermutlich immer weniger, also ist das doch vielleicht vertane Lernzeit?

Schreibschrift
Mühsam, diese Schreibschrift

Zeitfalle oder Notwendigkeit?

Die Diskussion um die Schreibschrift, bzw. um die Abschaffung der Schreibschrift, schlägt hohe Wellen. Ich versuche mal ganz pragmatisch an die Frage heranzugehen. Im Alltag benötigen wir das Schreiben mit der Hand nur noch im Ausnahmefall. Es ist wichtig für kurze Notizen, Anmerkungen oder knappe Nachrichten.

Ausführliche Texte, Briefe, Schriftstücke, Vorträge, Anleitungen oder Geschichten und Romane werden entweder mit der Tastatur erstellt oder gleich per Spracheingabe. Und überhaupt, ist es nicht eine praktische Funktion, seine Gedanken, Wünsche, Suchbegriffe und Nachrichten direkt ins Smartphone oder in den Computer zu sprechen? Das spart so viel Zeit!

Gründe für die Schreibschrift

Warum also sollen Kinder in der Schule sich noch mit dem Erlernen vom Schreibschrift abmühen? Meine Ansicht nach gibt es ein paar Fakten, die dafür sprechen.

  • Schülerinnen und Schüler müssen den Umgang mit einem Stift auf jeden Fall erlernen, um Texte schreiben zu können.
  • Das Schreiben mit der Hand, also das Verwenden der Schreibschrift, ist eine Abwechslung zum ständigen Wischen und Tippen auf einem Monitor.
  • Das Erlernen der Schreibschrift ist eine Herausforderung für das Gehirn, bei der neue Synapsen gebildet.
  • Da das Schreiben mit der Hand länger dauert als beispielsweise mit einer Spracherkennung, bleiben die Fakten besser im Gedächtnis.

Schreibschrift als Gedächtnisstütze?

Wichtig erscheint mir auch das taktile Erlebnis zu sein, während Informationen aufgeschrieben werden. Dadurch wird ein Wahrnehmungsbereich angesprochen, der die Speicherung der Informationen im Gehirn verbessert. Je mehr Wahrnehmungsbereiche beim Lernen angesprochen werden, desto besser für das Lernergebnis.

Doch müssen es wirklich Häkchen und miteinander verbunden sein oder reicht auch das Erlernen der Druckschrift aus? Gibt es dafür eine gesetzliche Regelung in den Bildungsstandards für die Grundschule? Die gibt es, und sie gelten seit 2004 bundesweit.

Das müsste Lehrer beachten

Schülerinnen und Schüler müssen das Schreiben mit Druckbuchstaben erlernen und bis zum Ende der vierten Klasse eine individuelle Handschrift entwickelt haben. Mit dieser wollen sie flüssig und leserlich schreiben können. Der Weg zur eigenen Handschrift ist Länder- oder Lehrersache.

Diese Schulschriften stehen in den verschiedenen Bundesländern zur Auswahl

  • vereinfachte Ausgangsschrift
  • Schulausgangsschrift
  • lateinische Ausgangsschrift
  • Grundschrift

Mit welcher Form der Schreibschrift Ihr Kind im Laufe der zweiten Klasse konfrontiert wird, ist also von Bundesland zu Bundesland höchst unterschiedlich. Meiner Ansicht nach ist diese Diskussion zwar heftig, aber nicht mehr zeitgemäß.

Der Digitalpakt wird alles verändern

Ich vermute einmal, dass wir in zehn bis 20 Jahren überhaupt nicht mehr über die Schreibschrift sprechen. Dann unterrichten Lehrerinnen und Lehrer im Schuldienst, die selber kaum noch schreiben, sondern alle Texte einsprechen. Jedes Kind arbeitet auch in der Schule an einem Computer und lernt intuitiv und spielerisch. Schreiben, besonders die Schreibschrift, wird ein Hobby wie Schachspielen und Kalligraphie.

Realität überholt die Diskussion

Auch dieser Text wurde weder mit der Hand geschrieben noch über die Tastatur eingegeben. Ich selber verwende schon seit vielen, vielen Jahren  ein Spracherkennungsprogramm (Dragon Naturally Speaking) und bin damit sehr zufrieden. Es erleichtert meine Arbeit, erhöht mein Schreibtempo und schont meine Muskulatur.