Sitzenbleiben noch zeitgemäß?

Viele Schülerinnen und Schüler haben auch jetzt wieder Angst vorm Sitzenbleiben. In einigen Bundesländern ist es nicht mehr lange bis zu den Sommerferien, aber auch in den anderen steigt die Angst vor dem Versagen. Das kann bei dem ein oder anderen schon mal Panik auslösen. Niemand möchte sich blamieren, seine Klasse verlassen, seine Freundinnen und Freunde zurücklassen und letztlich ein Jahr länger als alle anderen zur Schule gehen.

Sitzenbleiben finden viele immer noch okay

In der Bevölkerung ist das Sitzenbleiben noch weitgehend akzeptiert. Bei Befragungen stellt sich immer wieder heraus, dass die Mehrheit nicht möchte, dass schwache SchülerInnen einfach so “mitgeschleppt” werden. Manchmal ist es ja auch durchaus sinnvoll, eine Klasse zu wiederholen. Es gibt sowohl persönliche als auch andere Gründe, die ein Kind oder einen Jugendlichen daran hindern, sich in einem Schuljahr auf das Lernen zu konzentrieren. In diesem Fall könnte das Sitzenbleiben sinnvoll sein. Aber oft ist es auch kontraproduktiv. Es zählt also immer der Einzelfall.

Ken hat Angst vorm Sitzenbleiben

Nicht alle Parteien befürworten das Sitzenbleiben

Diskussionen um das Sitzenbleiben verlaufen immer noch äußerst kontrovers. Obwohl es inzwischen einige Bundesländer gibt, in denen das Sitzenbleiben bis zur 10. Klasse nur im Ausnahmefall möglich ist, gibt es daneben auch die andere Seite. Vor allen Dingen verteidigen konservative Politiker diese Form der Auslese, wohingegen Grüne, Linke und SPD sich dagegen aussprechen.

Was sagt die Wissenschaft zum Sitzenbleiben?

Wenn die Versetzung gefährdet ist, geht bei Eltern und Kindern die Angst um. Pädagogen und Bildungsforscher finden in Untersuchungen immer wieder heraus, dass das Sitzenbleiben kaum positive Wirkung zeigt. Die Wiederholung einer Klasse wird demotivierend und geht mit einem schmerzlichen Verlust des Freundeskreises und des sozialen Umfeldes einher. Die so bestraften Schülerinnen und Schüler fallen in ein tiefes Loch und brauchen lange, bis sie in ihrer neuen Klasse ankommen. Für das Lernen ist das kontraproduktiv.

Was ist der Grund für das Sitzenbleiben?

Schülerinnen und Schüler müssen eine Klasse wiederholen, wenn sie keine ausreichenden Leistungen erbringen und ihre Noten zu schlecht sind. Der Hintergrund dafür ist, dass unsere Bildungseinrichtungen sicherstellen müssen, dass alle Kinder und Jugendlichen einer Klasse ungefähr gleich leistungsstark sind. Durch das Sitzenbleiben werden also große Leistungsunterschiede vermieden, es geht quasi um Gerechtigkeit gegenüber den Schülerinnen und Schülern. Das funktioniert natürlich auch in die andere Richtung. Wer sehr leistungsstark ist, kann eine Klasse überspringen.

Benji sucht verzweifelt nach einer Lösung

Benji schaut verzweifelt auf die Ergebnisse seiner Mathe Klausur, schon wieder eine 5. Jetzt hat er kaum noch eine Chance auf Versetzung, denn auch in Englisch droht die Katastrophe. Noch zwei Monate bis zu den Sommerferien, die Noten werden wie immer weit vorher eingetragen. Realistisch gesehen hat er nicht mehr viel Zeit, um noch etwas zu ändern. Er beißt in den sauren Apfel und bittet um ein Gespräch mit seiner Klassenlehrerin. Die zeigt ihm 6 Möglichkeiten auf, das Ruder noch herumzureißen. Benji schluckt – und nimmt sich vor, alles für seine Versetzung zu machen. Schließlich geht auch seine Freundin Liane in die Klasse. Und es wäre doch zu peinlich…

Noch immer zeigt der blaue Brief die Versetzungsgefährdung an

Dass ein schulisches Weiterkommen gebremst ist, erfährt man als SchülerIn offiziell durch den Hinweis “Versetzung gefährdet” im Halbjahreszeugnis oder durch die individuelle schriftliche Benachrichtigung (so genannter “blauer” Brief) kurz vor den Abschlusszeugnissen.

Blaue Briefe sind in Deutschland, wie das gesamte Schulrecht, durch die Bundesländer geregelt. In Hessen hat eine Benachrichtigung beispielsweise unabhängig von einem Vermerk im Halbjahreszeugnis spätestens acht Wochen vor dem Ausgabetermin des Jahreszeugnisses zu erfolgen (Verordn. Schulverh. § 16 (2)).

Bildungspolitik ist Ländersache, auch beim Sitzenbleiben

Hier ist der Blaue Brief notwendig, um wirklich sitzen bleiben zu können. In Bayern sieht es anders aus, da kann ein Kind auch ohne vorherige Warnung sitzen bleiben. Im Einzelfall sollten Eltern immer direkt bei der Schule nachfragen oder im Schulgesetz des Bundeslandes nachlesen. Rechtlich stellt die nicht Versetzung übrigens einen anfechtbaren Verwaltungsakt dar.

Maja ist verzweifelt, sie wird sitzenbleiben.

Das Problem an der Wurzel packen

Generell ist klar, dass Schülerinnen und Schüler mit schlechten Noten Hilfe benötigen. Dieses kann eine Vereinfachung des Lernstoffes, also die Wiederholung eines Schuljahres, sein. Ebenso effektiv ist aber auch eine intensive Förderung und eine Differenzierung des Lernstoffs im Unterricht. Gezielter Einzelunterricht, auch per E-Learning oder durch Lernvideos kann ebenfalls sehr hilfreich sein.

Diese zweite, individuelle Lösung erfordert jedoch einen höheren Personalaufwand, in vielen Schulen ist das nicht umsetzbar. Häufig wird lieber auf die Variante “Versetzung gefährdet” zurückgegriffen, auch wenn die Zahlen seit Jahren rückläufig sind.

Was kann man gegen das Sitzenbleiben tun?

Gute Leistungen in der Schule und keine Fünfen in den Hauptfächern, das ist das wichtigste. Die Noten errechnen sich zum einen durch schriftliche Arbeiten, aber auch durch die mündliche Mitarbeit. Es macht also Sinn, seine Noten immer im Blick zu haben und anhand eines Lernplans genau zu wissen, für welche Arbeit sich das intensive Lernen am meisten lohnt. Nicht jede Klausur ist nämlich gleich wichtig.

In den Nebenfächern werden die Noten hauptsächlich durch die mündliche Mitarbeit bestimmt. Hier ist es sehr viel einfacher gute Noten zu bekommen, wenn man sich für das Fach interessiert und vielleicht zusätzlich die ein oder andere freiwillige Aufgabe übernimmt. Eine Referat ist die beliebteste Möglichkeit, dem eigenen Notendurchschnitt zu verbessern, aber auch eine zusätzliche Klausur kann möglich sein. Entscheiden werden das Lehrer oder Lehrerin.

Sehr gute Noten in den Nebenfächern können zu einem gewissen Teil die schlechten Noten in den Hauptfächern ausgleichen.

Kann man auch freiwillig Sitzenbleiben?

Grundsätzlich hat jeder Schüler die Möglichkeit einen Antrag auf Rückstellung zu stellen, so kann er freiwillig die Klasse wiederholen. Er kann auch, spätestens nach dem Erhalt des Zwischenzeugnisses in den Jahrgangsstufen 6 bis 11, freiwillig in die frühere Jahrgangsstufe zurückgehen.

Das gilt dann nicht als Sitzenbleiben. Aber Achtung: In den meisten Bundesländern kann man nicht beliebig oft zurücktreten, sondern jeweils nur einmal in der Grundschule, der Mittel- und der Oberstufe. Die Schule entscheidet, ob sie dem Antrag stattgibt. Wichtig dafür ist die Frage, ob der Schüler von der Rückstufung profitieren würde.

Vor- und Nachteile des Sitzenbleibens

Natürlich muss man immer im Einzelfall beurteilen, ob das Sitzenbleiben für ein Kind oder einen Jugendlichen sinnvoll ist. Generell lassen sich aber die vor und Nachteile wie folgt zusammenfassen

Vorteile:

  • Es werden Unterrichts und Lerninhalte wiederholt, die bisher problematisch waren. Die Quälerei im neuen Schuljahr wegen fehlender Grundlagen fällt daher weg. Es ist eine Chance, noch einmal von vorne anzufangen.
  • Im besten Fall werden die Noten besser und das Lernen fällt leichter.
  • Mit neuen KlassenkameradInnen und neuen LehrerInnen kann die Schule wieder richtig Spaß machen.

Nachteile:

  • Für viele Schülerinnen und Schüler ist der psychische Druck des Sitzenbleibens enorm, da er mit Versagen assoziiert wird. Die anderen haben es geschafft, ich nicht.
  • Insgesamt erhöht sich die Schulzeit um mindestens ein Jahr.
  • Möglicherweise wird das neue Schuljahr langweilig, weil die Kinder und Jugendlichen viele Lerninhalte schon kennen.
  • Der Aufbau eines völlig neuen Freundeskreises und das etablieren der eigenen Rolle in der Klasse kann sehr belastend sein.

Sitzenbleiben an den Privatschulen

In allen Privatschulen gibt es individuelle Regelungen über das Sitzenbleiben und die Versetzung. Auch die Notengebung wird hier häufig anders gehandhabt als in den öffentlich-rechtlichen Schulen. In vielen Privatschulen können die Schülerinnen und Schüler gar nicht sitzen bleiben, sondern durchlaufen die Schule im Klassenverband bis zum Abschluss.

Dort findet allerdings eine Prüfung statt, die dann nicht alle bestehen. So wird der allgemeinen Schulpflicht genüge getan, manchmal ohne dass die Schüler einen verwertbaren Abschluss erhalten.

Häufigste Fragen zum Thema Sitzenbleiben

  1. Was kann ich tun, wenn ich sitzenbleibe?

Entspann dich und versuche, dich mit der neuen Situation an zu Freunden. Möglicherweise gibt es gute Gründe dafür, die Klasse zu wiederholen. Sprich mit deinen guten Freundinnen und Freunden und lass dich von ihnen aufbauen. Knüpfe vielleicht schon in den Ferien Kontakte zu deiner neuen Klasse.

2. Wie ist es sitzen zu bleiben?

Das ist für jeden anders, manche gehen besser damit um als andere. Am besten kommen die Schülerinnen und Schüler damit klar, die das Sitzenbleiben als Neuanfang sehen.

3. Kann man zweimal Sitzenbleiben?

Ja, aber in der Regel nur einmal in jeder Schulform. Also einmal in der Grundschule UND einmal in der weiterführenden Schule.

4. Mit welchen Noten bleibt man sitzen?

Normalerweise bleibt ein Schulkind sitzen, wenn es mehrere Fünfen auf dem Zeugnis hat oder eine fünf in einem Hauptfach nicht mit einer besseren Note ausgleichen kann. Trotzdem ist das auch immer noch Verhandlungssache, es lohnt sich also mit in Lehrerinnen und Lehrern zu sprechen.

5. Ist es eine Schande sitzenzubleiben?
Natürlich nicht. Sitzenbleiben bedeutet, du hast dich entweder nicht genug angestrengt, warst überfordert oder hattes andere Probleme. Das kann jedem passieren und ist sicherlich keine Schande. Dein leben ist noch lang und du kannst viele, viele tolle Dinge tun und Ziele erreichen. Denke an den Spruch: „Wenn sich eine Tür schließt, geht irgendwo ein Fenster auf.“